An der Tanke in Brandenburg
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“Ich bin froh auf dem Dorf zu leben, wo die Menschen noch normal sind”
Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute: ein BER-Mitarbeiter, den es nervt, wie schlecht vorbereitet viele Reisende am Flughafen rumstehen.
rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die “an der Tanke” entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.
Ich wohne immer von Februar bis Dezember auf einem Sommergrundstück hier in Kummersdorf. Das ist die Zeit, wo ich nicht groß heizen muss. Im tiefsten Winter wohne ich in Berlin. Berlin ist nicht mehr, was es mal war. Es ist überall voll, es ist überall Stau, es ist einfach nur Stress. Das Grundstück, auf dem ich jetzt wohne, gehört einem Bekannten von mir und wir haben da so einen Deal gemacht. Ich pflege das Grundstück, wenn er nicht da ist und dafür kriege ich einen Teil des Grundstücks und da steht ein Bungalow drauf.
In der Gemeinde zu leben, ist sehr schön. Es finden Feste statt, man hilft sich gegenseitig, das ist typisch Dorf. Wenn man sich da als Berliner nicht einbringt, dann ist man da ganz schön auf verlorenem Posten. Wer was hat, der gibt was. Wenn jemand Hilfe braucht, hilft man einander und man nimmt auch kein Geld. Ich habe schon mal für Ältere eingekauft oder Rasen gemäht zum Beispiel.
Beim Tanken saß er noch mit Helm und Brille auf dem Motorrad. Für unser Gespräch hat er den Helm auf dem Lenker und seine Brille auf der Sitzfläche abgelegt. Das Motorrad hat er vorm Tankstellen-Shop abgestellt. Jetzt beißt er erstmal entspannt in ein Snickers und grinst.
Ich arbeite am Flughafen an der Sicherheitsschleuse und das ist mit ein Grund dafür, dass ich hier raus wollte. Ich will nach acht Stunden Arbeit meine Ruhe haben und wenn, dann Menschen treffen, mit denen ich was anfangen kann. Die Menschheit ist mittlerweile so verblödet mit dem Handy. Alle haben für jeden Scheiß Zeit mit dem Gerät, gucken sich alles an, aber wenn sie in den Flughafen kommen, wissen sie die einfachsten Sachen nicht. Gucken nicht vorher, was man braucht, was es für Vorschriften gibt. Wenn man ihnen dann erzählt, was sie zu tun haben, dann gibt es nur Diskussionen. Das fängt damit an, dass manche Leute nicht wissen, was fest und was flüssig ist. Die haben ihr Tütchen dabei und wir diskutieren darüber, ob Zahnpasta flüssig oder fest ist. Jeden Tag das Gleiche in Endlosschleife.
Meine Eltern haben sich früher auf Reisen immer total vorbereitet, da war immer alles dabei. Heute bereitet sich kein Mensch mehr auf irgendwas vor. Die Leute kommen dahin und stehen da, wie die Kuh vorm Tor. Deshalb bin ich froh auf dem Dorf zu wohnen, wo die Menschen noch normal sind. Die Leute haben verlernt selbstständig zu werden, ein Problem zu lösen. Es wird nur gegoogelt, wer hat mein Problem schon mal gelöst. Die Leute sind völlig hilflos geworden. Ohne dieses Gerät sind alle verloren.
Ich interessiere mich nicht groß für Politik, man kann eh keinen Einfluss darauf nehmen. Die Parteien heutzutage sind nur darauf aus, dass die vier, fünf Leute, die den Löffel schwingen, weiter an der Macht bleiben, egal in welcher Konstellation.
Die haben teilweise gute Ansätze, was zum Beispiel den Klimaschutz betrifft, aber die Umsetzung ist halt meiner Meinung nach völlig falsch. Um etwas umzusetzen, braucht man länger als vier Jahre. Also versuchen die, die an der Macht sind, egal in welcher Konstellation noch länger an der Macht zu bleiben. Ob man jetzt die CDU oder die SPD wählt, ist egal. Ich vergleich das jetzt mal mit einem Eintopf. Man kann da vier Sachen reinschmeißen, der schmeckt beschissen. Du kannst die Zutaten im Verhältnis ändern, dann schmeckt er vielleicht weniger beschissen oder er schmeckt noch schlechter. Aber nicht anders. Nur wenn man die Zutaten ändert, kannst du wirklich was verändern.
Das Snickers hat er ziemlich schnell gegessen, die entspannte Stimmung vom Beginn des Gesprächs ist zügig verflogen. Ganz selten lacht er mal kurz auf. Im Hintergrund öffnet und schließt jemand mehrmals die Schiebetür eines Lieferwagens, der Wind weht feste.
Es wird so viel Geld in die Weltgeschichte rausgeblasen. Und hier werden Leute unterstützt, die gar nicht mehr hier sein dürften. Wenn Migranten hier bleiben wollen, um zu arbeiten, wenn sie sich eingliedern wollen, ist ja alles schön. Ich wollte mal auswandern nach Amerika. Da musst du richtig viel mitbringen, Geld haben, du musst dich völlig nackig machen. Und hier weiß man noch nicht mal, ob der, der vor dir steht, wirklich der ist, für den er sich ausgibt. Und die werden unterstützt. Und wenn du anders denkst, wirst du gleich beschimpft, dass du rechts bist. Es gibt Länder da kannst du noch nicht mal Urlaub machen, wenn du Straftäter bist und hier kannst du alles machen. Ich finde, dass man sich auch hier um die Sicherheit kümmern sollte.
Ich denke mal, in meinem Dorf sind die meisten Menschen ganz zufrieden. Was uns ein bisschen fehlt, sind Einkaufsmöglichkeiten, auch mit Ärzten ist es schlecht. Früher gabs noch einen Laden bei uns und auch eine Gaststätte. Die Menschen haben jetzt weniger Geld, rücken enger zusammen, die trinken ihr Bier dann lieber zusammen in irgendeiner Garage als irgendwo hinzugehen.
Die Dorffeste sind auch weniger geworden. Die Jugend geht weg. Das Soziale stirbt weg. Aber ich bin trotzdem zufrieden. Ich tausche mich gern mit den Leuten aus, fummele gern handwerklich herum. Irgendwas ist immer zu tun und zu reparieren auf dem Dorf.
Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24