Angriff auf Kursk: Russland sucht nach Schuldigen – Putins Generäle müssen bangem
In russischen Medien gibt es Gerüchte über mögliche strafrechtliche Ermittlungen gegen Generäle, die den ukrainischen Einmarsch in Kursk nicht verhindert haben.
Moskau – Das russische Nachrichtenportal Vestka berichtet unter Berufung auf Quellen in Regierung und Parlament, dass aufgrund der Ereignisse in der Nähe von Kursk möglicherweise Verfahren gegen verschiedene Verantwortliche eingeleitet werden könnten. Bei diesen Ereignissen verlor Moskau nach Kiews Angaben die Kontrolle über ein mehr als 1000 Quadratkilometer großes Gebiet sowie 82 Siedlungen. Die potenziellen Verfahren richten sich gegen Vertreter des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Zivilbehörden, die für diese Situation verantwortlich gemacht werden.
Nach Angaben von Kyiv Post erklärte eine der Quellen, dass als am 6. August die Nachricht über den ukrainischen Vormarsch nach Kursk bekannt wurde, die Reaktion der Beamten von Apathie geprägt war. Sie stuften die Bedrohung nicht als ernsthaft ein. Diese Einschätzung wurde am nächsten Tag durch die Pressekonferenz des russischen Generalstabschefs Waleri Gerassimow bestätigt. Im Live-Fernsehen spielte er die Bedeutung der Ereignisse herunter und behauptete, der ukrainische Vormarsch sei gestoppt und der „Feind besiegt“ worden.
Kursk: Generalstabschef soll Kiews Pläne Wochen zuvor erhalten haben
Der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, sagte, der ukrainische Vorstoß in das russische Gebiet Kursk mit Bodentruppen habe Russland nervös gemacht. Für die Grenzschutztruppen, den Geheimdienst, das Militär, die Zivilverteidigung und auch die Bevölkerung sei es eine böse Überraschung gewesen, dass den ukrainischen Truppen eine derartige Aktion gelingen konnte.
Laut einem Bericht von Bloomberg hatte Gerassimow bereits Wochen zuvor Geheimdienstinformationen über die Pläne Kiews erhalten, diese jedoch ignoriert und den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht informiert. Mit der sich verschlechternden Lage in Kursk verschlechterte sich auch Gerassimows Stellung. Obwohl er seit 14 Jahren Generalstabschef ist, wurde er von den operativen Planungstreffen zur Verteidigung der Region Kursk, die am 15. August unter dem Vorsitz von Verteidigungsminister Andrej Belousow stattfanden, ausgeschlossen.
Während Gerassimow bisher als unantastbar galt, sehen russische Quellen ihn nun als ernsthaft gefährdet. Ein weiterer schwerer Rückschlag könnte Putin einen Vorwand liefern, die „Säuberung“ im russischen Verteidigungsministerium fortzusetzen, die bereits mit der Entlassung des ehemaligen Verteidigungsministers Sergej Schoigu begonnen hatte. Die im Mai begonnene Kampagne zur Verhaftung von Generälen und hochrangigen Beamten des Verteidigungsministeriums, denen Korruption vorgeworfen wird, erfolgt laut Regierungsquellen, auf die sich die Moscow Times beruft, entweder mit Zustimmung oder sogar auf direkte Anweisung des Kremls.
Kursk-Offensive: Selenskyj will russische Streitkräfte massiv schwächen
Bei der Offensive ukrainischer Truppen in der westrussischen Region Kursk geht es nach Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj auch um eine nachhaltige Schwächung der feindlichen Armee. Die Verluste Russlands seien „sehr nützlich“ für die Verteidigung der Ukraine, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache. „Es geht um die Zerstörung der Logistik der russischen Armee und um den Verbrauch ihrer Reserven“, erklärte Selenskyj. „Wir müssen allen russischen Stellungen maximalen Schaden zufügen, und das tun wir auch.“
Die Washington Post berichtete von einem weiteren Vorstoß der Ukraine auf russisches Gebiet, und zwar in Richtung Belgorod. Dort seien die russischen Einheiten jedoch nach den Ereignissen in der Region Kursk schon in Bereitschaft gewesen, der ukrainische Angriff habe sich bereits im Grenzgebiet festgefahren. (jal mit dpa)