Berlin. Nach dem Attentat auf Trump kursierten zahlreiche Verschwörungstheorien im Netz. Experten ordnen ein, warum sie gerade jetzt florieren.
Die Schüsse von Pennsylvania waren kaum verhallt, da tauchten im Internet bereits die ersten Verschwörungsmythen über das Attentat auf Donald Trump auf: US-Präsident Joe Biden habe den Anschlag angeordnet, behaupteten die einen. Der Mordversuch sei bloß inszeniert, um den republikanischen Präsidentschaftskandidaten zum Helden zu machen, erklärten andere. Beide politischen Lager in dem bis aufs Äußerte gespaltenen Land waren schnell mit Thesen unterwegs, dass die jeweils andere Seite ihre Hand im Spiel gehabt habe.
Auf der Plattform X zirkulierte ein Video in Nahaufnahme einer angeblich verdächtigen Besucherin der Wahlkampfveranstaltung mit einem „Biden“-Schild. In mehreren Sprachen wurde der konspirative Mythos in Umlauf gebracht. Vermutlich hielt die Frau aber nur das gleiche Pappschild wie viele Trump-Fans im Publikum: „Joe Biden, du bist gefeuert“, stand darauf. Auch ein Foto von lächelnden Sicherheitsbeamten mit dem blutverschmierten Donald Trump sollte als Beweis dafür herhalten, dass der Anschlag von oben geplant gewesen sei. Eine Prüfung der Nachrichtenagentur AFP ergab allerdings, dass das Bild der grinsenden Personenschützer entsprechend bearbeitet wurde.
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Verschwörungsmythen nach Attentat auf Trump: Fakten halten Gerüchte nicht auf
Doch auch Fakten können die Flut der Gerüchte im Internet nicht aufhalten. Zahlreiche Internetnutzer identifizierten den falschen Mann als Schützen und behaupteten zum Beispiel fälschlicherweise, ein italienischer YouTuber habe auf Trump geschossen. Auch das Video eines Mannes, der sich selbst in seinem Auto filmte und andeutete, er sei der Attentäter, wurde massenhaft verbreitet – obwohl viele US-Medien den Clip als schlechten Scherz entlarvt hatten.
Den Politikwissenschaftler Julien Giry verwundert die Massenhysterie nach dem Anschlag nicht. „Hätte es keine Verschwörungstheorien gegeben, wäre das eine Überraschung gewesen“, sagt Giry. Die vielen Aufnahmen von Profis und Amateuren des Attentats böten umfangreiches Material, „um einen alternativen Diskurs zu schaffen“.
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Josef Holnburger ist Teil der Geschäftsführung des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) und forscht zu Verschwörungserzählungen. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt er: „Verschwörungserzählungen liefern nicht nur ein Feindbild: Man selbst kann sich als Kämpfer für das Gute – gegen das Böse – darstellen. Trump griff beispielsweise auch immer wieder auf Verschwörungserzählungen zurück, beispielsweise in dem er von seinem Kampf gegen den „Deep State“ sprach oder unterstellte, dass die Wahlen gestohlen seien.“
Holnburger weist außerdem darauf hin, dass besonders Letztere präsent sei. „Je nach Umfragen glaubt bis zu einem Drittel der Amerikaner diese Verschwörungserzählung. Unter den als Republikaner eingetragenen Wählern sogar die Mehrheit. Das ist eine Verschwörungserzählung die vor allem durch Trump verbreitet wurde – und auch weiterhin wird. Sie war auch mit ausschlaggebend für den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar.“ Die Schäden von Verschwörungserzählungen wie diese seien immens: „Unsere Demokratie fußt auf beispielsweise den friedlichen Machtwechsel bei Wahlen. Wenn ein Wahlverlust nicht mehr akzeptiert wird, wird an den Grundfesten der Demokratie gesägt.“
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Kein Lager immun gegen Hirngespinste und Verschwörungstheorien
Im Lager der Demokraten wiederum wurde seit Samstag die These populär, bei dem Anschlag handele es sich um eine Inszenierung. „Die Reaktion der zentristischen und demokratischen Kreise ist ziemlich unglaublich“, sagt der Journalist Anthony Mansuy, ein Experte für die Verschwörungsszene in den USA.
Unter dem Hashtag #staged hätten sie sofort verkündet, das Attentat sei fingiert. Der für den Schutz des Ex-Präsidenten zuständige Secret Service habe den Vorfall inszeniert, das Blut in Trumps Gesicht sei nicht echt gewesen, propagierten prodemokratische Accounts. Das zeige, „dass niemand immun gegen die Hirngespinste von Verschwörungstheorien ist“, sagt Mansuy.
„In beiden politischen Lagern der USA ist ein verstärkter Hang zu Verschwörungstheorien zu beobachten“, sagte Imran Ahmed, Leiter des Zentrums gegen Online-Hass, der Zeitung „Washington Post“. „Verschwörungstheorien liefern einfache Erklärungen und einen Grund, sich nicht mit der Realität auseinandersetzen zu müssen.“
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Die Schüsse auf Trump wecken Erinnerungen an die Ermordung von John F. Kennedy 1963. Auch mehr als 60 Jahre danach seien 70 bis 80 Prozent der Menschen in den USA davon überzeugt, dass der US-Präsident einer Verschwörung zum Opfer gefallen sei, sagt Politologe Giry.
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les/dpa/pvt