Balsam für die Radfahrer
Lea Sophie Friedrich verhindert mit Silber in der Königsdisziplin Sprint für den Verband die ganz große Blamage.
Am Ende harter Tage, Wochen und Jahre baumelte die Silbermedaille um den Hals von Lea Sophie Friedrich. Und die Bahnrad-Sprinterin hatte Tränen der Erleichterung in den Augen. „Müde“ sei sie jetzt, aber auch „richtig stolz auf mich“, sagte die 24-Jährige, nachdem sie am Sonntag für die vorletzte deutsche Medaille bei den Olympischen Spielen gesorgt hatte.
Silber in der Königsdisziplin Sprint, das war zum einen ein persönlicher Triumph und die erste olympische Einzelmedaille. Vor Jahren war Friedrich aus ihrer Heimatstadt Dassow in Mecklenburg-Vorpommern nach Cottbus gezogen, um ihre sportlichen Voraussetzungen zu optimieren. „Ich habe meine Heimat verlassen, um hier ganz oben stehen zu können“, sagte sie mit brüchiger Stimme, ihren Eltern sei sie „sehr dankbar“.
Im Finale musste Friedrich sich in zwei Läufen deutlich der neuseeländischen Keirin-Weltmeisterin Ellesse Andrews geschlagen geben. Ihre Konkurrentin hatte in zwei Läufen letztlich deutlich die Nase vorn. Doch schon mit dem Einzug in den Endlauf und der damit sicheren Medaille sei ihr eine riesige Last von den Schultern gefallen, sagte sie: „Man hat es mir vielleicht angesehen, dass ich dann sehr stolz war. Ich bin danach erstmal kotzen gegangen, weil ich wirklich alles gegeben habe, um da reinzukommen.“
Denn Friedrich hatte ja auch einen größeren Auftrag: Sie bewahrte die deutschen Radfahrer vor einer Schmach in Paris. Die zweimalige Sprint-Weltmeisterin Emma Hinze war am Samstag im Viertelfinale ausgeschieden, sie wurde Sechste.
Bis Sonntag stand für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) lediglich die Bronzemedaille, die Friedrich und Hinze zum Auftakt der Bahnrad-Wettbewerbe am vergangenen Montag an der Seite von Pauline Grabosch im Teamsprint gewonnen hatten. Im Keirin hatten Hinze (5.) und Friedrich (7.) die Medaillenränge verfehlt.
In den weiteren Teilbereichen Straße, Mountainbike und BMX war der deutsche Verband leer ausgegangen. Den deutschen Radfahrern drohte das schwächste Olympia-Abschneiden seit Melbourne 1956, als sie eine Bronzemedaille gewannen – damals mit deutlich weniger Disziplinen und ohne die Teilnahme von Frauen. Ein Umstand, der immer berücksichtigt werden muss.
Friedrich polierte die Bilanz auf. In der Qualifikation am Freitag hatte sie einen Weltrekord (10,029 Sekunden) aufgestellt, ihren ersten Halbfinallauf gegen die Niederländerin Hetty van de Wouw verlor sie dann. Doch Friedrich meldete sich mit zwei Siegen eindrucksvoll zurück und erreichte das Finale um Gold. Erleichterung und Freude waren ihr anzumerken.
Im Finale wartete in Andrews eine zu große Hürde. Die 24-Jährige hatte schon im Viertelfinale Hinze souverän ausgeschaltet, im Halbfinale ließ sie der britischen Weltmeisterin Emma Finucane, die Bronze gewann, keine Chance.
Doch auch die Silbermedaille glänzte für die Deutsche. Die achtmalige Weltmeisterin hatte in Tokio (Silber) und Paris (Bronze) jeweils im Teamsprint auf dem Podium gestanden. Für das bislang letzte deutsche Sprintgold auf der Bahn sorgte Kristina Vogel in Rio 2016. Zwei Jahre später stürzte Vogel beim Training in Cottbus nach einer Kollision mit einem niederländischen Fahrer und zog sich eine schwere Wirbelsäulenverletzung zu und sitzt seitdem im Rollstuhl. sid/FR