Berlin. 2022 stahlen vier Männer Schmuck, Uhren und Gold in Millionenhöhe aus einem Tresorraum. So lange müssen sie nun ins Gefängnis.
Am Donnerstag drehte sich vor dem Landgericht Berlin mal wieder alles um Thomas St., den 53-jährigen Kronzeugen im spektakulären Tresorraumraub-Prozess. Ein Prozess, der nun nach knapp neun Monaten und zahlreichen Zeugenvernehmungen sein lang erwartetes Ende fand. Vier der 26 bis 53 Jahre alten Angeklagten wurden unter anderem des Diebstahls mit Waffen, in einem Fall der Beihilfe dazu für schuldig befunden. Ein fünfter Angeklagter wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen. „Lieber einen Schuldigen zu viel freigesprochen als einen Unschuldigen zu viel verurteilt“, fasste Richter Michael Mattern die Entscheidung zusammen.
Selbst bei der Urteilsverkündung durch Mattern ging es dabei noch um die Frage, wie glaubwürdig St. sei, es ging um eine „kritische Würdigung“ seiner Aussagen. „Die durch ihn geleistete Ermittlungshilfe war beträchtlich“, stellte Mattern klar. „Aber das begangene Verbrechen war auch exorbitant.“ Und dass Kronzeuge St. der „Schlüssel“ zu diesem Verbrechen gewesen ist, daran bestand für die Kammer kein Zweifel.
Wegen des Bruchs musste der Internethändler Smartwatch in die Insolvenz
Drei Jahre und sechs Monate Haft bekommt der 53-Jährige nun wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall. Und dafür, dass er seine Mitangeklagten Kenan S. (28), Bilall M. (42 ), Mahmoud My. (26) und Muhammet H. (42) verpfiffen hat. Es ist das niedrigste Strafmaß. Sein Verteidiger war aber dennoch sichtlich enttäuscht. Man hatte auf einen noch höheren Straferlass spekuliert. Dazu sei der angerichtete, vor allem auch immaterielle und ideelle Schaden für die Betroffenen aber zu hoch gewesen, befand Richter Mattern.
Zu Erinnerung: Im November 2022 waren mindestens fünf als Wachmänner verkleidete Personen in eine Tresoranlage in Charlottenburg eingebrochen. Sie knackten 296 Schließfächer und erbeuteten Luxusuhren sowie Bargeld, Edelmetall und Wertpapiere in Millionenhöhe. Im Anschluss legten die Täter Feuer, um ihre Spuren zu verwischen. Die knapp 1000 bei dem Coup gestohlenen Uhren des Berliner Internethändlers Watchmaster führten noch im selben Jahr zu dessen Insolvenz.
Muhammet H. versuchte noch, seinen Neffen zu belasten
Als organisatorischer Drahtzieher des Verbrechens wurde am Donnerstag der 42-jährige Muhammet H. verurteilt, er wird von den Ermittlern ebenso wie My. und M. dem Berliner Clanmilieu zugerechnet. Mit acht Jahren Haft erhält H. die höchste Strafe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass bei ihm „im Hintergrund die Fäden zusammengelaufen“ seien und er „alles gesteuert“ habe. Und das, obwohl H. noch versucht hatte, die Planung und Organisation während des Verfahrens auf seinen 26-jährigen Neffen Mahmoud My. zu schieben.
Richter Mattern hielt das jedoch für wenig glaubwürdig und erklärte die Bereitwilligkeit, mit der My. diesem Manöver gefolgt wäre, mit der „Hierarchie“ in der Familie und dem Umstand, dass der 26-Jährige noch jung und nicht vorbestraft sei. Mahmoud My. konnte lediglich Beihilfe nachgewiesen werden, er erhält eine Haftstrafe von vier Jahren und vier Monaten.
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Immer noch mehr als Kronzeuge Thomas St., dem tatsächlich die Schlüsselrolle in dem hollywoodartigen Coup zufiel. Denn St. war niemand geringeres als der Geschäftsführer des Unternehmens, das die rund 1200 Tresor- und Schließfachräume als Depot für private Kunden angemietet hatte – und das folglich bestohlen wurde.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass St. zur Unterstützung der Tat im Vorfeld den Sicherheitsdienst ausgewechselt und die Abschaltung der Alarmanlage veranlasst hat. Auch habe er die Täter mit Transpondern für den Gebäudezugang ausgestattet, durch die diese problemlos in das Depot gelangen konnten. Sein Motiv: die Tilgung vermeintlicher Schulden „ aus Geldwäschegeschäften“ bei My., M. und H. aus der zu erwartenden Beute, die wiederum professionell weiterverkauft werden sollte.
Verbleib der Millionenbeute ist unklar
Als einer der ausführenden Täter des Bruchs wurde der 28-jährige Kenan S. zu sieben Jahren und vier Monaten verurteilt. Straferhärtend wirkte sich hier vor allem die versuchte Brandstiftung aus, die auch leicht zu einem höheren Schaden am Gebäude hätte führen können. Obwohl mindestens noch vier weitere Personen an dem Coup beteiligt waren, konnten ihre Identitäten nicht ermittelt werden. Ebenso bestellt ist es um den Verbleib der Millionenbeute, die spurlos verschwunden ist. Laut den Ermittlern besteht der Verdacht, dass das Geld durch eine Scheinfirma in Baden-Württemberg mittlerweile „reingewaschen“ wurde.
„Es überrascht nicht, dass auch dieser spektakuläre Coup auf das Konto eines kriminellen Clans geht“, kommentiert Benjamin Jendro, Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei GdP, das Urteil. „Es überrascht aber auch nicht, dass zwar der Kronzeuge auspackt, die eigentlichen Protagonisten aber nicht mit den Sicherheitsbehörden kooperieren, sodass nach wie vor weder der Aufenthalt der Beute noch die anderen Beteiligten ausfindig gemacht werden konnten.“ Für Dutzende Millionen Euro gehe man auch mal ein paar Jahre ins Gefängnis und gewinne so innerhalb der kriminellen Strukturen an „Rücken“, so Jendro.
Höhe der Schadenssumme ebenfalls unbekannt
Doch wie viel wurde überhaupt erbeutet? Das Gericht schätzte die Schadenssumme zugunsten der Angeklagten auf „lediglich“ 17 Millionen Euro. So viel wird nun von Muhammet H. als Wertersatz eingezogen. Zuvor hatten Summen von bis zu 41 Millionen Euro im Raum gestanden.
Das Problem: Vielfach konnte der Wert etwa von gestohlenem Schmuck und Erbstücken nur geschätzt werden, er beruhte auf unbelegten Daten der Insolvenzverwalter oder der Betroffenen selbst. So oder so bleibt für die Verurteilten pro Kopf noch immer eine Millionensumme, sollten sie nach ihrer Entlassung irgendwie an das Geld kommen können. „Ob sich das für sie im Hinblick auf die Zeit, die sie in Haft verbringen müssen, gelohnt hat, müssen sie für sich selbst beurteilen“, schloss Richter Mattern.