Der Modellathlet
Der Ausnahmesportler Oliver Zeidler hat eine lange Reise bis zur ersehnten Goldmedaille im Ruderboot zurückgelegt. Auch die Frankfurter Rudergesellschaft Germania freut sich.
Der Riese weinte. Diese verdammte Olympia-Medaille endlich um den Hals, die Nationalhymne, der Blick zur Familie und Freundin. Da brach es aus Oliver Zeidler heraus. All das Leid, all der Fleiß, auch manche Verzweiflung der letzten Jahren hatten sich ausgezahlt. Mit einem dominanten Rennen ruderte Zeidler zu Gold in Paris, angekommen auf dem Olymp.
„Das ist das, was ich mir über die letzten drei Jahre mit viel Schweiß und Tränen erarbeiten musste“, sagte Zeidler. Und wollte dann einfach die Menschen umarmen, die immer bei ihm waren. Nach den Spielen von Tokio, als er im Halbfinale scheiterte, ein Trauma, das ihn beinahe „gebrochen“ hätte. Er arbeitete es mit seiner Sportpsychologin auf. Nach den European Championships in München, als ihm auf seiner Heimstrecke die Nerven versagten und er die Medaille verpasste. Zeidler kam stärker zurück.
Nach dem Gold-Coup ließ er sich in die Arme von Heino Zeidler fallen und sagte: Danke, Papa. „Mein Vater hat mich vom ersten Zug meiner Ruder-Karriere begleitet, ich bin ihm sehr dankbar, wie meiner Mutter und meiner ganzen Familie.“ Für Heino fühlte sich der Erfolg seines Sohnes „surreal“ an: „Vor nicht mal acht Jahren haben wir mit dem Rudern angefangen, eher als Ausgleich zum Schwimmen. Oli wurde besser und besser. Und das heute war die Vollendung.“ Wie von schwerer Last befreit feierte der Münchner den ersten Olympiasieg eines deutschen Einer-Fahrers seit Thomas Lange (1988 und 1992). Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz geriet ins Staunen. „Diese Leistung beeindruckt und begeistert mich – als leidenschaftlicher Ruderer ganz besonders“, kommentierte der Politiker.
Während des Rennens sah Zeidler auf dem kleinen Bordcomputer, dass er eigentlich zwei Sekunden zu langsam ist. Und trotzdem kam keiner der Konkurrenten näher. Da wusste der 28-Jährige: Heute ist mein Tag! Wie ein Uhrwerk ruderte er das Rennen zu Ende, der Blick wie in Trance. „Die Olli-Rufe haben mich heute getragen. Das im Ziel dann noch mal in Ruhe zu hören, ohne über den nächsten Schlag nachdenken zu müssen, das war schon besonders emotional.“
Besonders emotional war auch die Umarmung mit Freundin Sofia Meakin. Sie trug eine Sonnenbrille, vor lauter Aufregung hatte sie so viel weinen müssen. Ihr galten die ersten Worte: „Sofia macht mich einfach glücklich und hat mir die Leichtigkeit zurückgegeben, die mir vielleicht früher gefehlt hat.“
Über Monate konnten sich Zeidler und die Schweizer Ersatzruderin kaum sehen. Ein blaues Armband, ein Geschenk von Meakin, erinnerte ihn immer daran, dass sie an seiner Seite steht. Die neue Leichtigkeit des Oliver Zeidlers merkte man auch im Deutschen Haus.
So ruhig und kontrolliert er auf dem Wasser fährt, so sehr spritzte der Sekt. Der Hüne hüpfte zu „Allez Olli“-Sprechchören. Olympia-Gold gewinnen, das ist ja Familientradition.
Der 2,03 Meter große und 107 Kilogramm schwere Modellathlet hatte als Vorbild seinen Großvater Hans-Johann Färber (1972 im sogenannten „Bullenvierer“) und Tante Judith Zeidler (1988 im DDR-Achter). So ganz genau wusste Zeidler gar nicht, ob nun das Halbfinale oder das Finale das Rennen seines Lebens war. „Es waren auf jeden Fall zwei super Rennen und ich bin stolz, dass ich den Zuschauern eine gute Show geboten habe.“ Zeidler wusste aber sicher, dass noch nicht Schluss sein soll.
Der Ausnahmesportler, der die Arbeit des Deutschen Ruderverbands immer wieder kritisierte, nimmt noch mal Anlauf. Er hat sich selbst das optimale Umfeld geschaffen, das ihn auch bis zu den Spielen in Los Angeles 2028 tragen soll. „Noch einmal Olympia-Gold wäre eine Sache, sich endgültig in die Geschichtsbücher einzutragen.“
Es ist auch ein Erfolg, der in seinem Heimatverein, die Frankfurter Rudergesellschaft Germania, für Begeisterung sorgte. „Das war ein Moment für die Ewigkeit! Mit diesem triumphalen Sieg hat Oliver Zeidler seine einzigartige Karriere gekrönt. Die Germania ist glücklich und stolz, ihn in unseren Reihen zu haben“, teilte der Vorsitzende Jochen Scheel sogleich mit. Der Erfolg sei mit unfassbar viel Training, Disziplin und mentaler Stärke verbunden.
Wichtig ist für die Rudergesellschaft Germania die Vorbildwirkung, die von einem solchen Triumph in einer Sportart ausgeht, die eigentlich nur zu Olympischen Spielen ein Massenpublikum erreicht. Zeidlers Verein kooperiert beispielsweise mit der Schillerschule Frankfurt, einem großen Gymnasium in Sachsenhausen, wo auch regelmäßig Leistungstests bei den jüngeren Jahrgängen durchgeführt werden.
Doch immer weniger Schüler und Schülerinnen sind nach einem erfolgreichen Eignungstest bereit, sich in dieser intensiven Sportart, die viel Ausdauer, Kraft, Technik und Beharrlichkeit verlangt, zu quälen. Vielleicht gibt es nun ein paar mehr, die einem Riesen als Olympiasieger nachahmen wollen. mit dpa, hel