Dortmund. Die ersten Tests der deutschen Handball-Teams verliefen unterschiedlich. Überbewerten will keiner der Bundestrainer das jeweilige Ergebnis.
Johannes Golla hat einen Elefanten mitgebracht. Keinen echten, einen sprichwörtlichen. Ein offensichtliches Problem, das er in den Raum stellt, ohne ihm Beachtung zu schenken. Der Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft trägt nach dem 35:30-Testspielsieg am Samstag gegen Frankreich eine weiße Bandage am Bein. Ein Verband so dick, als wäre ihm ein zweites Knie gewachsen. Darauf angesprochen winkt der 26-Jährige ab: „Ich habe ein Knie gegen mein Knie bekommen, das tut einen Moment weh.“ Aber: „Alles in Ordnung.“ Handballer halt: hart im Nehmen, gut im Abhaken, schnell im Weitermachen.
Viel lieber spricht er daher über die Erkenntnisse, die sich nach diesem Prestigesieg über den amtierenden Europameister vor 10.105 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle ziehen lassen. „Die Angriffsleistung war eine der besten, die wir je gezeigt haben. Sehr stark, sehr effizient. Das macht Mut.“ Torwart David Späth klang ähnlich: „Wir müssen uns vor niemandem verstecken.“ Der Ritterschlag kam von Frankreichs Weltstar Nikola Karabatic: „Sie haben gezeigt, dass sie den Europameister schlagen können. Das heißt, sie können jeden schlagen.“ Der Traum vom Halbfinale, von einer Medaille bei den Olympischen Spielen lebt.
DHB-Männer: Lob für Jungstar, Gislason sieht auch Probleme
Am 27. Juli startet die Mannschaft des Deutschen Handball-Bundes (DHB) gegen Schweden in Paris in das Turnier. Weitere Vorrundengegner sind Japan, Kroatien, Spanien und Slowenien. Nach zwei Wochen hartem Training war Frankreich der erste Gegner in der Vorbereitung. Weil diese auf einige Topstars verzichten mussten, war Bundestrainer Alfred Gislason zwar „insgesamt zufrieden mit der Leistung, ich will das Ergebnis aber nicht überbewerten“. Probleme offenbarten sich im Rückzug. „Da machen die über zehn Tore aus der zweiten Welle oder schnellen Mitte. Das ist zu viel“, urteilte Gislason.
Gefallen haben ihm vor allem die Abwehr, die Torhüter Andreas Wolff und David Späth. Auch der erst 20 Jahre alte Marko Grgic. „Er ist im Angriffsspiel für sein Alter schon sehr weit“, lobte der Bundestrainer. „Er bringt etwas mit, was uns schon ein bisschen gefehlt hat.“ Bei seinem zweiten Länderspiel kam der Eisenacher auf vier Treffer, er belebte die Offensive.
Kapitän Golla hob hervor: „Wir hatten nicht diese Einbrüche, die wir sonst gegen starken Gegner hatten.“ So war es den Deutschen noch bei der Heim-EM im Januar ergangen. Am Ende wurden sie Vierter. „Wir können da viel von den Franzosen lernen“, sagte Gislason, dessen Team das jüngste bei Olympia sein wird. „Diese Abgeklärtheit, in entscheidenden Momenten da zu sein, das hat Leute wie Karabatic jahrelang ausgezeichnet.“
Emotionaler Abschied für Handball-Star Nikola Karabatic
Nikola Karabatic – auch er schrieb am Samstag eine besondere Geschichte. Der 40 Jahre alte Franzose, der im Handball alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, beendet nach seinen Olympischen Heimspielen seine große Karriere. Auch beim THW Kiel hatte er seine Spuren hinterlassen. Nun bestritt er sein letztes Spiel auf deutschem Boden. Das Publikum erhob sich zu einem lautstarken „Au revoir“. „Das waren viele Emotionen, normalerweise versucht man vor so einem Spiel ein wenig, sie zurückzuhalten, aber wenn man so viel Liebe bekommt, muss man das auch erleben und spüren“, sagte Karabatic nach der Partie bewegt.
Für Gänsehaut hatten die Zuschauer im früheren Handballtempel Westfalenhalle auch bei den deutschen Frauen gesorgt. „So eine Kulisse sind wir ja sonst nicht gewöhnt“, sagte Co-Kapitänin Alina Grijseels, selbst bis vor einem Jahr Spielerin bei Borussia Dortmund. Erstmals seit 2008 sind wieder beide deutschen Handball-Teams für Olympia qualifiziert. Doch anders als bei den Männern misslang der Testspiel-Auftakt: 31:36 verloren die Frauen gegen Brasilien. In der sonst so starken Abwehr offenbarten sich Lücken, im Eins-gegen-eins mangelte es an Aggressivität. Ein Dämpfer, der zeigt, was auch Grijseels sah: „Wir müssen noch eine Schüppe drauflegen.“ Ohne Leistungssteigerung wird es bei der Rückkehr auf die olympische Bühne nach 16 Jahren schwer, sich in einer starken Gruppe mit Schweden, Dänemark, Slowenien, Norwegen und Südkorea durchzusetzen.
Handball: Olympia-Generalprobe in Stuttgart
Ähnlich wie Gislason den Auftritt seiner Männer nicht zu euphorisch nehmen wollte, so weigerte sich auch Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch, allzu viel in den Auftritt hineinzuinterpretieren. Er war zwar ob der Niederlage nicht zufrieden, sah aber „überhaupt keinen Grund zur Sorge“. Der Trainingsfokus habe zuletzt auf der Offensive gelegen, nun ginge es an den Feinschliff für Paris.
Für die Spielerinnen und Spieler stehen nur ein paar Tage Pause an. Verschnaufen bei der Familie, Krafttanken bei Freunden. Am Wochenende kommt es dann zur Generalprobe in Stuttgart: Die DHB-Männer treffen auf Ungarn und Japan, die Frauen auf Ungarn und Brasilien. Und dann beginnt sie: die Olympia-Mission in Paris.
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