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Johannes Neumann
Methoden zur Diagnose von Internetabhängigkeit im Überblick
Welche Indikatoren weisen auf Internetsucht hin? Du den Untersuchungsmöglichkeiten:
- Umfassende Anamnese des Betroffenen: Bei Verdacht auf Internetabhängigkeit erhebt der Arzt im Gespräch mit dem Betroffenen oder dessen Angehörigen die Krankengeschichte und das Ausmaß der Internetnutzung.
- Fragebögen: Spezialisierte Fragebögen wie die Internet-Sucht-Skala oder die Compulsive Internet Usage Scale helfen bei der Diagnose, ob eine Internetsucht vorliegt.
- Testpsychologische Untersuchungen: Testpsychologische Verfahren können dazu beitragen, das Suchtverhalten genauer einzuschätzen und begleitende psychische Störungen zu erkennen.
- Verhaltensbeobachtung: Der Therapeut beobachtet das Verhalten des Betroffenen und bewertet es im Hinblick auf typische Suchtmuster und psychosoziale Folgen.
- Körperliche Untersuchung: Eine körperliche Untersuchung kann notwendig sein, um Folgen der Internetsucht am Körper wie Mangelernährung oder Schlafmangel zu erkennen.
- Weitere Untersuchungen: Weitere Untersuchungen wie das strukturierte klinische Interview zu internetbezogenen Störungen (AICA-SKI-IBS) können bei der Diagnosestellung hilfreich sein.
Umfassende Anamnese des Betroffenen
Eine umfassende Anamnese (Krankengeschichte) ist ein entscheidender Schritt bei der Diagnose einer Internetabhängigkeit. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder ein entsprechend ausgebildeter Therapeut wird intensive Gespräche mit dem Betroffenen und eventuell auch mit den Angehörigen führen. Ziel ist es, ein detailliertes Bild der Lebensgewohnheiten, des Internetnutzungsverhaltens und der Symptomatik zu erhalten. Dabei werden auch die Dauer und Intensität der Internetnutzung sowie eventuell daraus resultierende Probleme im sozialen, beruflichen oder schulischen Umfeld besprochen. Gefragt wird nach der Häufigkeit des Drangs, online sein zu müssen, und nach bisherigen Versuchen, das Internetverhalten zu ändern. Wichtig ist auch, ob psychische Störungen in der Vorgeschichte vorliegen, die mit der Internetsucht in Zusammenhang stehen könnten. Diese Erstgespräche sind grundlegend, um das Ausmaß der Problematik zu erfassen und die Weichen für eine mögliche gezielte Behandlung zu stellen. Weitere Tests schließen sich an die Anamnese an und ergänzen sie. Häufiges Online-Sein allein bedeutet nicht zwangsläufig Internetabhängigkeit.
Fragebögen
Eine zentrale Rolle in der Diagnostik der Internetabhängigkeit spielt der Einsatz standardisierter Fragebögen. Der Internet Addiction Test (IAT) und die Internet Dependence Scale (ISS) sind Instrumente, mit denen das Suchtverhalten in Form von Selbstauskünften quantifiziert, d.h. in Zahlen ausgedrückt werden kann. Dabei beantworten die Patienten Fragen zu ihrem Nutzungsverhalten, zu möglichen psychischen Begleiterscheinungen und zu den Auswirkungen der Internetnutzung auf ihren Alltag. Anhand der Ergebnisse können Ärzte und Therapeuten feststellen, ob und in welchem Ausmaß eine Internetabhängigkeit vorliegt. Die Fragebögen helfen, einen ersten Eindruck vom Schweregrad einer möglichen Problematik zu gewinnen und dienen als Grundlage für die weitere Diagnostik und Therapieplanung. Die Fragebögen sind wissenschaftlich gut untersucht und belegt.
Testpsychologische Untersuchungen
Testpsychologische Untersuchungen dienen dazu, ein psychologisches Profil des Betroffenen zu erstellen und das Ausmaß einer Abhängigkeit sowie das Vorliegen weiterer Erkrankungen (Komorbidität) zu erfassen. Dabei werden standardisierte psychologische Tests und Assessments eingesetzt, die darauf abzielen, Suchtverhalten zu identifizieren und Impulskontrolle, Toleranzentwicklung und Entzugssymptome zu messen. Diese Verfahren ergänzen die Informationen aus Fragebögen und Anamnesegesprächen, um ein umfassendes Bild einer Problematik zu erhalten. Sie helfen auch, psychische Störungen zu erkennen, die parallel zur Internetabhängigkeit bestehen können.
Verhaltensbeobachtung
Die Verhaltensbeobachtung ist ein wichtiger Teil der Diagnostik. Der Therapeut achtet auf Entzugserscheinungen, Toleranzentwicklung und Vernachlässigung sozialer Kontakte. Auch die Reaktionen auf das Nicht-Online-Sein, wie Reizbarkeit oder Unruhe, werden beurteilt. Die Verhaltensbeobachtung liefert wichtige Informationen über die Auswirkungen der Sucht auf den Alltag des Betroffenen und seine Fähigkeit, mit dem Internet umzugehen. Diese Informationen sind für die Planung einer adäquaten Behandlungsstrategie unerlässlich.
Körperliche Untersuchung
Eine körperliche Untersuchung ist zwar nicht primärer Bestandteil der Diagnose Internetsucht, kann aber wichtige Hinweise auf körperliche Auswirkungen der Sucht geben. Ärztinnen und Ärzte achten auf Symptome wie Mangelernährung, Schlafmangel, körperliche Erschöpfung oder Schäden am Bewegungsapparat. Diese Untersuchungen sind wichtig, um gesundheitliche Folgeschäden frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Darüber hinaus können Blutuntersuchungen oder andere diagnostische Verfahren organische Ursachen für die Symptome ausschließen oder bestehende Erkrankungen identifizieren, die sich durch die Internetnutzung verschlechtert haben könnten.
Weitere Untersuchungen
Zur weiteren Abklärung können zusätzliche Untersuchungen wie das strukturierte klinische Interview zu internetbezogenen Störungen (AICA-SKI-IBS) eingesetzt werden. Diese Methode ermöglicht einen tieferen Einblick in die psychologischen und verhaltensbezogenen Aspekte der Internetabhängigkeit. Der Interviewleitfaden hilft den Fachkräften, zwischen einer Internetabhängigkeit und einer problematischen Internetnutzung zu unterscheiden. Diese zusätzlichen diagnostischen Schritte sind entscheidend, um eine genaue Diagnose zu stellen und die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie zu legen.
Über Johannes Neumann
Johannes Neumann ist Medizinpädagoge und Notfallsanitäter. Seit 2008 ist er in der Notfallversorgung in verschiedenen Fachbereichen – vom Rettungsdienst bis zur Kinderintensivstation – tätig. Seit 2019 arbeitet er zudem hauptberuflich in der medizinischen Lehre und Leitung der Berufsfachschule für Notfallsanitäter, an der er auch Notfallsanitäter der Bundeswehr ausbildet. Neben der Notfallmedizin lehrt Herr Neumann in verschiedenen anderen Gesundheitsfachberufen, unter anderem in den Fächern Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie und Akutpflege sowie Biochemie, Pharmakologie und Ernährungslehre. Darüber hinaus ist er als Hochschullehrer in verschiedenen Studiengängen tätig und leitet als nichtärztlicher Kursleiter Refresherkurse für Notärzte.
Wichtiger Hinweis: Dies sind nur allgemeine Informationen. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Bei Verdacht auf Internetabhängigkeit sollten Sie umgehend einen Arzt aufsuchen. Diese Informationen können keinesfalls den Rat eines Arztes ersetzen.