Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 31/2024.
Als wir vor vier Jahren in unser Haus zogen, lautete die
überraschende erste Frage unserer Nachbarn: “Seid ihr aus dem Westen?”
Überraschend deshalb, weil ich nicht erwartet hatte, dass das 35 Jahre nach der
Wende noch so ein Thema sein würde. Überraschend aber auch, weil ich nicht so
recht wusste, was ich antworten sollte. Ich bin in Norddeutschland
aufgewachsen, aber meine Eltern stammen nicht von dort. Sie waren, wie zuvor
schon ihre Eltern, für die Ausbildung aus dem Elternhaus fortgegangen. Außerdem
gab es davor noch den Krieg und die Flucht. Auch damals flüchtete man oft von
Orten, an denen man nicht heimisch gewesen war, zu Orten, die wieder nichts mit
einem zu tun hatten. So ist das seit Jahrtausenden: Menschen wandern. Ich
selbst habe im Norden, Süden, Westen und Osten dieses Landes gelebt und besitze
einen deutschen Pass, weshalb man sagen würde, ich sei in Deutschland heimisch. Trotzdem könnte ich mir vorstellen, in einem anderen Land zu leben
und dort heimisch zu werden. In Deutschland wird so ein Ankommen für Menschen
aus der Fremde zunehmend schwer. Und für Pflanzen ist es inzwischen ganz
ähnlich.