Rom. Wein gehört zu Italien wie Prosecco. Doch manche Winzer setzen auf alkoholfreie Alternativen. Das passt nicht jedem. Die Probleme.
Italien ohne Wein? Undenkbar! Im Land mit der weltweit größten Weinerzeugung und der größten Weinausfuhr ist „Vino“ ein identitätsstiftendes Element der Nation. Kein Land ist auf seine Weinproduktion so stolz wie Italien, denn keine Nation kann eine derartige Vielfalt an Rebsorten vorweisen. Rund 50 Millionen Hektoliter Wein werden jährlich in Italien produziert und gedeihen auf einer Rebfläche von knapp 700.000 Hektar. Doch die Winzer kämpfen mit Problemen.
Auch interessant
Seit eh und je setzt die italienische Weinwirtschaft auf Qualität. Im Gegensatz zu Spanien, das mehr in Billigproduktion investiert hat, punkten die Italiener mit qualitativ hochwertigen Flaschen zu entsprechenden Preisen. Doch die Weinwirtschaft verändert sich allmählich und die italienischen Winzer müssen Schritt halten. So ist in den vergangenen Jahren der Konsum kräftiger Rotweine – lange Stolz der italienischen Produzenten – zurückgegangen, zugunsten der eleganteren Weißweine, deren angenehme Frische insgesamt besser zu den Gerichten der Sterne-Restaurants passt. Während der weltweite Siegeszug des Prosecco unaufhaltsam ist, müssen die Produzenten von Superweinen wie Brunello di Montalcino und Amarone, Barolo einen Nachfragerückgang hinnehmen.
Keine reine Modeerscheinung: Alkoholfreier Wein ist im Kommen
Um sich neue Marktnischen zu erschließen, setzen italienische Winzer jetzt verstärkt auf Weine mit niedrigem Alkoholgehalt. Auch alkoholfreie Weine sind immer gefragter. Angetrieben wird dieser Trend durch das wachsende Gesundheitsbewusstsein. Das sogenannte „Mindful drinking“, die neue Nüchternheit, ist für viele zum selbsterklärten Lebensstil geworden. Besonders in den Altersgruppen unter 40 Jahren sind alkoholfreie oder entalkoholisierte Getränke oftmals die erste Wahl, meinen Experten. Auch für Kunden, die aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen keinen Alkohol zu sich nehmen können oder wollen, ist das eine Möglichkeit. Attraktiv ist vor allem die Tatsache, dass alkoholfreier Wein weniger Kalorien enthält. Anders als bei herkömmlichen Weinalternativen, die aus gepresstem Traubensaft bestehen, handelt es sich dabei um echten Wein, dem am Ende der Produktion der Alkohol wieder entzogen wird.
- Private Altersvorsorge: Die größten Probleme der Riester-Rente – und wie man sie löst
- Kinder-Hörspiele: Tonies plant neuen Coup – „Feedback war überwältigend gut“
- Strom: Dieses Gerät spart Familie Brett Hunderte Euro Energiekosten jedes Jahr – bald ist es Pflicht für jeden
Gängig sind zwei verschiedene Herstellungsprozesse: Bei der sogenannten Umkehrosmose wird dem Wein der Alkohol mittels Hochdruckpumpen entzogen. Bei der Vakuumdestillation wird der gekelterte Wein auf 30 Grad erhitzt. So verdampft der Alkohol, ohne dass der Wein zu kochen beginnt. Die Alkoholdämpfe werden über ein Vakuumsystem herausgesaugt. So sollen möglichst viele Geschmacksaromen des Weins erhalten bleiben. Für beide Verfahren braucht es entsprechende Produktionsanlagen – eine teure Anschaffung.
Alkoholfreier Wein – ein Milliardengeschäft
Puristen rümpfen in Italien die Nase: Viele Weinliebhaber behaupten, nach dem Alkoholentzug könne man von Wein nicht mehr sprechen und beklagen die geringere Qualität der alkoholfreien Produkte. Ganz anders beurteilt die Lage Sandro Bottega, ein bekannter Winzer aus der Prosecco-Provinz Treviso, der 20 Weinberge besitzt und Klassiker wie Prosecco, Amarone und Chianti herstellt. Nebenbei hat Bottega mit der Produktion von alkoholfreiem Wein begonnen. Der Sektor wächst stark.
In den vergangenen drei Jahren verzeichnete Bottega eigenen Angaben nach bei der Produktion von alkoholfreiem Wein ein Plus von 20 Prozent. Vertrieben werden seine Flaschen auch in Deutschland, vor allem in Restaurants und in Feinkostgeschäften. Alkoholfreie Weine sind laut Bottega keine Modeerscheinung, sondern ein Segment, das zuletzt solides Wachstum verzeichnet hat. In den USA wurde mit alkoholfreiem Wein sogar eine Milliarde Euro im Jahr umgesetzt. Die Italiener müssten achtgeben, im Namen der Tradition nicht wichtige Marktanteile in dieser Nische zu verlieren, warnt Bottega.
Auch interessant
In Italien stoßen Hersteller, die auf alkoholfreien Wein umsteigen wollen, auf bürokratische Hürden. In der EU ist die Produktion von alkoholfreiem Wein nicht einheitlich geregelt. Man arbeitet zwar schon länger daran, doch gerade aus Italien gibt es immer wieder Widerstände. Und so darf dort ein alkoholfreier Wein nicht einmal als Wein verkauft werden. Laut Gesetz muss ein Wein mindestens neun Volumenprozent Alkoholgehalt haben, sonst ist er kein Wein. Während man also in Deutschland unmissverständlich „alkoholfreier Wein“ schreiben und auch die Rebsorte angeben darf, geht das in Italien nicht. Das Wort „Vino“ darf überhaupt nicht auftauchen. „Wenn man Wein ohne Alkohol herstellen will, sollte man ihn nicht Wein nennen dürfen“, sagte der italienische Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida kürzlich.
Wirtschaft in Berlin
Abonnieren Sie kostenlos den Wirtschafts-Newsletter der Berliner Morgenpost
Dieser Überzeugung trägt auch das derzeitige Weingesetz Italiens Rechnung. Dieses definiert Wein als „Erzeugnis, das ausschließlich durch die vollständige oder teilweise alkoholische Gärung von frischen, eingemaischten oder nicht eingemaischten Weintrauben oder von Traubenmost gewonnen wird“. Der Position von Landwirtschaftsminister Lollobrigida stehen jedoch die großen italienischen Weinunternehmen entgegen, die in Zukunft nicht auf wichtige Marktanteile verzichten wollen. „Es ist ein Zug, auf den wir aufspringen müssen, denn das Interesse der Verbraucher an diesen neuen Produkten ist real und nicht zu übersehen“, meint Paolo Castelletti, Generalsekretär des italienischen Weinverbands Unione Italiana Vini (UIV).