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Es steht im ganzen Norden in voller gelber Blütenpracht: das Jakobskreuzkraut. Die Verbreitung hat nach Angaben der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. „Es schießt überall wie Pilze aus dem Boden“, sagte ein Sprecher.
Das Jakobskreuzkraut ist zwar eine wichtige Nahrungsgrundlage für Insekten, enthält aber Pyrrolizidinalkaloide, die für Säugetiere stark giftig sind. „Die zunehmende Ausbreitung beobachten wir deshalb mit großer Sorge“, sagte eine Sprecherin des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums.
Das heimische Kraut stellt vor allem für Pferde und Rinder eine Gefahr dar. Auf der Weide meiden es Tiere bei genug Alternative in der Regel, weil es bitter schmeckt. Getrocknet verliert es aber den bitteren Geschmack. Die Tiere sind nach Angaben der Landwirtschaftskammer dann nicht mehr in der Lage, die Pflanzenteile zu meiden. Die Inhaltsstoffe können bereits in relativ kleinen Mengen zu schweren Leberschäden bis hin zum Tod führen. Deswegen darf laut Ministerium Heu, das Kreuzkräuter enthält, nicht als Futter genutzt werden – weder für Heimtiere noch für Nutztiere.
Pferdehalter wünschen sich Monitoring
Die Kontrolle ist schwierig. Weil sich das Jakobskreuzkraut stark verbreitet, schlagen derzeit Pferdehalter Alarm. Martina Gerndt von der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland rief wie bereits im Vorjahr im Umland von Verden eine Challenge aus: Sieger ist, wer das meiste Kreuzkraut fachgerecht von seinen Weiden und Mähwiesen entsorgt. Sie rechnet damit, dass die Menge von 2,5 Tonnen von 2023 „bei Weitem“ überschritten wird.
Gerndt wünscht sich ein Monitoring des Jakobskreuzkrauts, um künftig nachvollziehen zu können, wie stark sich die Pflanze verbreitet. Auch befürwortet sie eine „Bannmeile“ von 100 Metern um Pferdekoppeln und Mähwiesen. Verpflichtende Bannmeilen lehnt das Landwirtschaftsministerium allerdings ab. „Pauschal Blühstreifen abzumähen, ist nicht zielführend“, erklärte die Sprecherin.
Stattdessen verweist das Ministerium auf die Eigenverantwortung der Tierhalter und Landwirte. Es rät, vorbeugend die Grasnarbe dicht und geschlossen zu halten. Bei höheren Pflanzendichten könnten die Pflanzen vor Blühbeginn gemäht oder die Fläche gemulcht werden. „Sollten diese Maßnahmen nicht greifen, kann der Einsatz von Herbiziden durch sachkundige Personen notwendig werden“, heißt es vonseiten des Ministeriums.
Der Nabu Niedersachsen verweist darauf, dass die wenigsten Landwirte selbst vom Jakobskreuzkraut betroffen sind. „Mit den in der konventionellen Landwirtschaft üblichen Mitteln der Grünlandbewirtschaftung hat das Jakobskreuzkraut auf konventionell bewirtschafteten Dauerweiden und Mähwiesen keine Chance“, betonte eine Sprecherin.
Pro Pflanze bis zu 150.000 flugfähige Samen
Das Jakobskreuzkraut ist daher vor allem auf stillgelegten Flächen, extensiv bewirtschafteten Weiden und Wiesen, aber auch auf ungenutzten Flächen zu finden. Eine solche Fläche liegt direkt neben Maike Rottstegge-Kochs Ponyhof mit Grünland für den Futteranbau im Kreis Plön in Schleswig-Holstein. An ihren Feldern grenzt eine Ackerbrachfläche, die übersät ist mit Jakobskreuzkraut. „Da wächst wirklich nichts anderes mehr“, sagt Rottstegge-Koch. Sie bemängelt, dass bei Ackerbrachen, für die nach EU-Regelung die Landwirte viel Geld bekämen, nicht auf die Diversität der Pflanzen geachtet werden müsse.
Weil sie Angst hat um ihre Ponys, kontrolliert Rottstegge-Koch ihre Flächen regelmäßig und reißt Stauden raus – eine Sisyphusaufgabe. Ähnlich wie Löwenzahn bildet das Kraut pro Pflanze nach Angaben des Landvolks Niedersachsen nach der Blüte bis zu 150.000 flugfähige Samen, die vom Wind verbreitet werden. „Selbst wenn es nur 10.000 sind: Ein Samenkorn überlebt im Boden 15 bis 20 Jahre“, sagt Rottstegge-Koch.
Sie plädiert daher für Abstandspflichten sowie einen Beseitigungsanspruch – und verweist auf eine Bekämpfungspflicht in der Schweiz. „Bei uns sind Betroffene vom ,Goodwill‘ des Nachbarn abhängig“, sagt Rottstegge-Koch. Der Nabu lehnt indes ein frühzeitiges Mähen des Jakobskreuzkrauts ebenso wie das Mulchen von Naturschutzflächen ab. Dadurch würden unter anderem natürliche Strukturen von Wiesenameisen zerstört und Nester von Bodenbrütern wie Braunkehlchen, Wachtel oder Dorngrasmücke beseitigt, teilte eine Sprecherin mit.
Drei Millionen Hektar betroffen oder bedroht
Der Landwirt Andreas Frahm aus Neuengörs in Schleswig-Holstein setzt bereits seit 2008 auf eine andere Beseitigungsart: den Blutbären – auch Jakobskrautbär genannt. So heißt ein Schmetterling, dessen Raupe die giftige Pflanze frisst. Nach eigenen Angaben hat Frahm ein Verfahren entwickelt, mit dem er betroffene Flächen innerhalb von vier Jahren fast frei vom Kraut bekommt.
Sein Wissen gibt er an Landwirte, Pferdehalter, Behörden und Gemeinden weiter. „Am besten nimmt man sich gleich ganze Ortschaften vor“, sagt Frahm. Nach eigenen Angaben befinden sich zurzeit in Deutschland bereits 150.000 Hektar landwirtschaftliche Flächen nach seinem Verfahren in „Bereinigung“. „Das ist schon eine Hausnummer. Aber in Deutschland sind drei Millionen Hektar akut betroffen oder bedroht“, so Frahm.
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