Keine Löwin in Kleinmachnow
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Ein Ort hat Schwein
Vor einem Jahr wurde eine Löwin um Kleinmachnow gesucht, aber nur Wildschweine gefunden. Diese Suchaktion gab den Blick frei auf ein Schauspiel, das weiterhin aktuell ist: Wie geht die Gemeinde mit täglichen Wildschweinbesuchen um? Von Anna Bordel
Wie schön muten Pfingstrosen hinter Stacheldraht an? Schadet es Blüten, wenn sie an Strom stoßen? Fragen, die Anwohner:innen in der Kleinmachnower Waldsiedlung im Kampf gegen ungebetene Wildschweinbesuche im eigenen Garten umtreiben dürften. Dort reiht sich ein Traumhaus plus Märchengarten an das andere. Manche herrschaftlich mit Säuleneingang und doppelter Garage, andere familiär mit Rutsche und Lampions im Garten und wieder andere eher bäuerlich mit Fachwerk-Fassade.
Sehr viele Grundstücke sind umzäunt. Einige haben bis zur Straße hin brusthohe Metallzäune um ihr Grundstück gebaut. Andere haben die Vorgärten mit kniehohem Elektro- oder Stacheldrahtzaun umfriedet. Und wieder andere belassen es bei Buchsbäumen. Und das mit dem Zaun ist in Kleinmachnow keine Beliebigkeit. Das Thema Zaun ist hier ein Politikum, das Kleinmachnow in mindestens zwei Lager spaltet.
Wühlen, kacken, rempeln
Seit Jahren leben in den Wäldern, die an Kleinmachnow grenzen, Wildschweine. Und die werden immer forscher und – wenn man den Kleinmachnowern glaubt – auch immer mehr. Vor einem Jahr sollte sogar eine Löwin durch die Gegend streifen, die dann aber doch bloß ein Wildschwein gewesen ist, wie sich nach 30 Stunden, einem 100.000-Euro-schweren Polizeieinsatz und zahllosen Medienberichten bis hin nach New York herausgestellt hat. Während die Löwin also schnell wieder verschwand, ist die Wildsau offenbar geblieben.
Die Wildschweine kommen zu jeder Tageszeit in das Wohngebiet, wie einige Anwohner erzählen, kacken auf die Straßen, wühlen sich durch die Gärten und versuchen Mülltonnen umzuschmeißen, so die Berichte von Anwohnern. “Es ist grausam”, sagt einer der Anwohner, “die Gemeinde tut einfach nichts”. Ihm zufolge hat der Bürgermeister die Einwohner per Brief aufgefordert, ihre Gärten selbst mit einem Elektrozaun zu schützen. Angeblich soll ein Vertreter einer Nachbargemeinde sogar dazu aufgefordert haben, die Tiere mit Pfeil und Bogen selbst zu vertreiben, so der Anwohner. Selbstjustiz im Kleinmachnower Vorgarten also.
Schweine ohne Scheu
An diesem sommerlich warmen Julinachmittag, sind es vor allem Schmetterlinge, die sich durch die Vorgärten arbeiten. Aber einige Wegesränder sind umgegraben, frische Erde liegt zuoberst und in einigen Vorgärten sind Teile von Rasenflächen zerwühlt. “Früher kamen die Wildschweine ein Mal im Jahr in den eigenen Garten, jetzt kommen sie alle paar Wochen zu uns”, sagt eine weitere Anwohnerin, und sie seien nicht scheu. Als sie zuletzt welche in ihrem Vorgarten gehabt hat, habe sie die Tiere mit einem Wasserschlauch verscheuchen müssen. Auch sie fordert den Abschuss von mehr Wildschweinen von der Gemeinde. Es müssten ja nicht alle sein.
So sehen das aber nicht alle, die in Kleinmachnow wohnen. “Es sind die, die keinen Zaun haben, die sich beschweren”, sagt eine Anwohnerin, die jeden Tag mit ihrem Hund durch die Wälder der Umgebung streift, so wie auch heute. Dabei habe sie schon oft Wildschweine gesehen. “Sie sind sehr zutraulich, auch die Kleinen schon”, berichtet sie. Manchmal suche sie die Tiere sogar, “Sie wissen ja, Wildschweine riechen nach Maggi”. Oft kämen die Tiere sehr nah an sie und ihren Hund heran. “Wer es sich leisten kann, hier ein Haus zu bauen, der kann auch einen Zaun bezahlen. Ich bin ja extra hierher gezogen, weil ich in die Natur möchte”, findet sie.
Jagd an neue Pächter vergeben
Nicht alle sehen das Zusammentreffen mit den Wildschweinen so entspannt und es ist nicht bloß die Sorge um den Vorgarten, den einige umtreibt. Eine Anwohnerin erzählt, dass sie Angst um ihre Kinder hat, wenn die morgens zur Schule gehen. “Die Wildschweine kommen fast jeden Tag. Wenn sie die Kinder auf dem Spielplatz überraschen, dann retten die sich nach oben auf die Rutsche. Das ist nicht schön”, sagt sie.
Ein Zaun um ihren Garten hilft ihr bei ihren Sorgen also nicht weiter. Als die Gemeinde Anfang des Jahres bei einer Treibjagd mehrere Tiere erlegt hat, sei es einige Zeit ruhiger gewesen, meint sie. Jetzt sei das aber wieder vorbei.
Und die Gemeinde selbst? Hat die Jagd im Frühjahr in die Hände von zwei neuen Pächtern gelegt, wie sie Ende Juni mitteilt. Die wollen die Wildschweine nun gezielt aus den Wohngebieten in den Wald locken und dort “waidgerecht” bejagen, wie es weiter heißt. Außerdem sollten einige Problemschweine ausgemacht werden, die jede Scheu vor den Menschen verloren hätten und dieses Verhalten auch an ihre Jungen weitergeben würden.
Die Wildschweine sollten sich im Wald wohl fühlen, dafür sollten vor allem Hundebesitzer ihre Hunde anleinen. Und andersherum: Sie dürften sich in Wohngebieten nicht mehr so wohl fühlen. Dafür müssten um Gärten und Mülltonnen laut der Gemeindemitteilung vor allem eines aufgestellt werden: Zäune.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.07.2024, 7:00 Uhr