Konzertkritik | Jamie Cullum in der Zitadelle Spandau
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Der Mann, der auf den Flügel steigt
Sein aktuelles Album aus dem Jahr 2020 ist ein Weihnachtsalbum und heißt “The Pianoman at Christmas”, das hält den britischen Jazzmusiker Jamie Cullum aber nicht davon ab, auch im Sommer Konzerte zu spielen. Von Simon Brauer
Der Mann, der scheinbar mühelos Jazz zu Pop und Pop zu Jazz macht, heißt Jamie Cullum. Er gehört zu den erfolgreichsten Jazzmusikern Großbritanniens und hat sich auch in Deutschland längst eine große Fangemeinde erspielt. Die muss beim Konzert am Samstag in der Zitadelle in Berlin-Spandau allerdings länger als gedacht auf ihren Star warten.
Mit 45 Minuten Verspätung kommt Jamie Cullum mit seiner Band auf die Bühne. Der Grund: Die weltweite technische Computerstörung vom Freitag – rbb24 berichtete ausführlich – hat dazu geführt, dass das Flugzeug mit dem britischen Musiker an Bord fünf Stunden später als geplant in Berlin ankam und er direkt vom Flughafen auf die Bühne springen musste.
Animateur Cullum reiht Song an Song
Jamie Cullum rast regelrecht durch die erste Hälfte seines Konzerts. Die Songs gehen ohne Pause ineinander über, dem Publikum bleibt kaum Zeit zum Applaudieren, es scheint, als wolle Cullum die verlorene Zeit – so gut es geht – wieder reinholen. Das Publikum in der zu zwei Dritteln gefüllten Zitadelle lässt sich schnell mitreißen von Cullums Energie. Der spielt seinen Flügel meist im Stehen, klettert schon im ersten Song auf eben diesen Flügel und animiert alle zum Mitklatschen und Mitsingen.
Zwei bis drei Publikumsanimationen weniger im Verlauf des Konzerts wären auch ok gewesen, aber Jamie Cullum ist eben Entertainer durch und durch – und dazu ein äußerst sympathischer Alleskönner. Das zeigt er nicht nur als Pianist und Bandleader, sondern vor allem auch als Sänger, der die Blue Notes genauso drauf hat wie den Harmoniegesang mit seiner Band.
Afrobeat und Aristocats
Wer Jazz spielen kann, kann alles spielen. Das zeigt Jamie Cullum mit seiner siebenköpfigen Band auf eindrucksvolle Weise. Swing, Soul, Funk, Rock und Afrobeat, eigene Songs aus seiner über 20-jährigen Karriere, dazu Stücke von Ray Charles, Nina Simone und den Aristocats – alles extrem präzise und dabei extrem lässig gespielt. Nur wenn allzu lange instrumental rumgejazzt wird, nutzen einige Konzertbesucherinnen und -besucher die Zeit für einen kleinen Spaziergang in der Zitadelle.
“Dankeschön, mein Liebchen!”
Immer wieder baut Cullum ein paar Wörter auf Deutsch in seine Ansagen ein, bedankt sich einmal mit “Dankeschön, mein Liebchen!” holt sich so noch mehr Sympathiepunkte beim Publikum. Am Ende hüpfen und tanzen alle vor und auf der Bühne – und als Jamie Cullum am Ende des Konzerts dann noch drei zarte Songs solo am Klavier spielt, ist die Verspätung vom Anfang längst vergessen.
Sendung: rbb24 inforadio, 21.07.2024, 6:55 Uhr
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