Berlin.. Ein Atomangriff auf die Ukraine setzt eine neue Nukleardoktrin voraus. Genau das plant Putin. Was verbirgt sich dahinter? Was droht?
Russland will seine Raketen gegen Ziele in Europa ausrichten. Das kündigte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag als Reaktion auf die geplante Stationierung von US-Waffen in Deutschland an. Im Visier: Berlin. „Das potenzielle Opfer sind die Hauptstädte dieser Staaten“, präzisierte er.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Gemeint ist nicht zuletzt ein Atomschlag. Denn zuvor hatte Peskow eine neue Atomdoktrin angekündigt – aus russischer Sicht hat der jüngste Nato-Jubiläumsgipfel die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Sinkt die Hemmschwelle für den Einsatz von Nuklearwaffen?
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Die Entwicklung zeichnete sich seit Langem ab, bereits vor dem Nato-Gipfel. Vize-Außenminister Sergej Rjabkow hatte in einem Interview im Moskauer Portal „The International Affairs“ mit einer Änderung der Doktrin gedroht. Rjabkow wie Peskow nennen keine Details. Sie sprechen allgemein von „konzeptionelle Ergänzungen und Änderungen“.
Eine Doktrin ist eine Leitlinie. Jeder russischer Offizier lernt auf der Militärakademie, wann Atomwaffen für Russland eine Option sind:
- Als Reaktion und zur Abwehr eines Atomangriffs
- und wenn die nationale Souveränität und die territoriale Integrität gefährdet ist.
Atomwaffen wurden bislang einmal eingesetzt: beim US-Angriff auf Japan im August 1945. Damals wollten die USA eine Kapitulation und ein Ende des Zweiten Weltkrieges erzwingen. Seither gelten sie als Abschreckungswaffen, quasi als politisches Instrument.
Putin will Nukleardoktrin verschärfen
Auf ihr Drohpotenzial hat auch Kremlchef Wladimir Putin im Zuge des Krieges in der Ukraine gesetzt. Immer wieder hat er mit seinen Atomwaffen geprahlt. Der Westen sollte damit davon abgehalten werden, die Ukraine zu unterstützen. Doch diese Drohung hat sich abgenutzt.
Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt
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Zuletzt haben die USA und andere Nato-Partner zugestimmt, dass ihre Waffen sogar für Angriffe auf russisches Territorium genutzt werden. Putin ist darüber erbost. Im Ukraine-Krieg hat er bislang alle seine Ziele verfehlt: weder das Land erobert oder auch nur den Widerstandswillen gebrochen, noch hat sich der Westen aus dem Konflikt herausgehalten.
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Seit Langem spielt er mit dem Gedanken, die Nukleardoktrin zu verschärfen. Zuletzt sprach er darüber bei einem Besuch in Vietnam und beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Dort sagte der Kremlchef, sie sei ein „lebendes Instrument“, das den globalen Entwicklungen angepasst werden müsse.
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Vermutlich verfolgt er drei Ziele. Putin eskaliert, um alle Möglichkeiten auszureizen, um der Ukraine Angst zu machen und sie zu isolieren. Für diese Annahme spricht eine Äußerung Rjabkows: Der Ukraine-Krieg habe gezeigt, dass „die nukleare Abschreckung in ihrem traditionellen Sinne nicht vollständig funktioniert“.
Putin selbst behauptete, dass westliche Staaten weniger zögerlich seien, Atomwaffen einzusetzen. Sie würden atomare Bomben mit geringer Sprengkraft entwickeln. Diese Rechtfertigung führt wiederum zum nächsten Motiv: Die eigene Bevölkerung auf eine Eskalation einzustimmen.
Jeder dritte Russe für Atomschlag?
Zuletzt hat ein Putin-Mitstreiter, Sergej Mardan, im staatlichen Fernsehen die Diskussion über Atomschläge befeuert. Er nahm Bezug auf eine Umfrage, wonach ein Drittel der Russen nicht gegen einen Atomangriff auf die Ukraine wäre. Julia Davis von der Organisation „Russia Media Monitor“ hat den TV-Clip auf X gepostet.
Diplomat Rjabkow behauptet, das Risiko eines direkten bewaffneten Zusammenstoßes zwischen Atommächten sei hoch. Aber eigentlich zielt die Drohung weniger auf den Einsatz von strategischen Atomwaffen gegen die USA ab. Es geht eher um taktische Atomwaffen gegen die Ukraine. Nicht zufällig hat Russland unlängst solche Waffen in Belarus stationiert, bedrohlich nahe der Front.
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Taktische und strategische Atomwaffen unterscheiden sich in ihrer Zerstörungskraft und Reichweite. Taktische Atomwaffen werden auch „Gefechtsfeldwaffen“ genannt. Sie können relativ nahe den eigenen Stellungen eingesetzt werden. Die zerstörerische Wirkung wäre freilich wesentlich größer als bei konventionellen Artilleriegeschossen.
Die russische Verlustrate im Ukraine-Krieg ist enorm. Viele Experten fragen sich seit Langem, wann Russland seine Reserven beispielsweise bei Panzern verbraucht haben wird. An diesem Punkt ist zu befürchten, dass der Kremlchef dann eher eskaliert, als im Ukraine-Krieg klein beizugeben.
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