Merkels Getreue gehen von Bord
Zahlreiche liberale Kräfte in der CDU-Fraktion wollen bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr antreten. Die Union könnte konservativer werden.
Es waren teils überraschende Ankündigungen: Nacheinander haben in den vergangenen Wochen mehrere CDU-Bundestagsabgeordnete mitgeteilt, bei der nächsten Wahl nicht mehr kandidieren zu wollen. Darunter einige, die zum liberalen Flügel und zu Anhängern der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel gezählt werden. „Merkelianer“ werden sie in der CDU genannt.
Der prominenteste Abgänger ist wohl Hermann Gröhe, der ehemalige Bundesgesundheitsminister und Generalsekretär unter Merkel. Auch Annette Widmann-Mauz, Integrationsbeauftragte der vierten Merkel-Regierung, macht Schluss. Katja Leikert aus Hessen, die Merkels Flüchtlingspolitik gegen parteiinterne Kritiker verteidigt hatte, tritt nicht mehr an. Ebenso Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas aus Sachsen und die saarländische Abgeordnete Nadine Schön. Sie werden zum liberalen Teil der CDU gezählt.
In ihren offiziellen Stellungnahmen geben die Scheidenden unterschiedliche Gründe an. Magwas verwies auf das „gesellschaftliche Klima“, das in den vergangenen Jahren erheblich rauer geworden sei, „insbesondere in Sachsen“. Widmann-Mauz erklärte, sie wolle den Staffelstab an jüngere Hände weitergeben. Ähnlich formulierte es Gröhe. Bei einigen dürften die Arbeitsbelastung, mehr Zeit für die Familie und die schlicht lange Karriere in der Politik eine Rolle gespielt haben. Im Konrad-Adenauer-Haus sieht man all das als normalen Lauf der Dinge. Schließlich erneuert sich der Bundestag in jeder Legislaturperiode zu einem Drittel.
Partei wird konservativer
Seit Friedrich Merz die Partei- und Fraktionsführung übernommen hat, stellt sich die CDU konservativer auf. Sie will eine Drittstaatenlösung für Migrant:innen einführen. Auch Geflüchtete mit Schutzstatus sollen Deutschland fern bleiben. Der liberale Flügel hatte noch auf dem Parteitag im Mai versucht, eine Klausel in das neue Grundsatzprogramm aufzunehmen, wonach Menschen mit Schutzgründen hierzulande Asyl erhalten können. Ohne Erfolg.
Sollte die CDU die nächste Bundestagswahl gewinnen, wird sie wieder mehr Posten zu vergeben haben in Ministerien, für parlamentarische Staatssekretäre und in der Fraktion. Es ist schwer vorstellbar, dass Merz an die Christdemokraten, die stets den Merkel-Kurs vertraten, zahlreiche Posten vergeben wird. Insofern dürfte manche und mancher keinen Raum mehr für sich in der zukünftigen Partei sehen.
„Erfolgreich ist die CDU nur, wenn die gesamte Volkspartei in die Gesellschaft ausstrahlt“, sagt der Bundestagsabgeordnete Thomas Rachel. „Insofern kann es nur im Interesse von Friedrich Merz sein, auf die Breite der Volkspartei zu achten und auch auf Persönlichkeiten zu setzen, die für das Christliche, das gesellschaftlich Liberale, das Soziale stehen.“
Gleichwohl verbleiben einige „Merkelianer der zweiten Reihe“, wie sie ein CDU-Politiker, der Merz unterstützt, nennt. Dazu werden der frühere Kanzleramtschef Helge Braun gezählt, der parlamentarische Geschäftsführer Hendrik Hoppenstedt oder die Verteidigungspolitikerin Serap Güler. Und weil in vielen Wahlkreisen die Nominierungen noch ausstehen, ist auch nicht klar, ob die Liberalen in der CDU-Fraktion bald in die Unterzahl geraten.