Mini-Rente trotz 40 Jahren Arbeit — neue Zahlen zeigen Armutsproblem: Zwei Gruppen besonders betroffen
Neue Zahlen der Bundesregierung zeigen, wie viele Menschen im Alter von Armut bedroht sind. Ein Bundesland hält einen „traurigen Rekord“.
Berlin – Altersarmut ist ein massives Problem: Von den gut 19 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland waren im Jahr 2023 18,4 Prozent armutsgefährdet. Unter allen Menschen über 65 – also auch denen, die weiterhin arbeiten – liegt die Quote mit 18,3 Prozent fast genauso hoch. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestags-Linke hervor, die IPPEN.MEDIA exklusiv vorliegt.
Knapp jede und jeder Fünfte ist demnach in Deutschland direkt von Altersarmut gefährdet. Bei Frauen sind es mit 20,2 Prozent sogar noch etwas mehr. In der Gesamtbevölkerung waren 2023 14,4 Prozent der Menschen armutsgefährdet.
1,3 Millionen Rentner arbeiten weiterhin – Armutsgefahr steigt
Im Vergleich zum Jahr 2014 stieg die Quote an armutsgefährdeten Menschen über 65 um mehr als elf Prozent. Die meisten Menschen waren aber 2020 von Armut bedroht, damals lag die Quote unter den Über-65-Jährigen bei 20 Prozent – ein Grund war die Corona-Pandemie. Über die Jahre hinweg haben alleinerziehende Frauen und Menschen, die nicht mehr arbeiten können, durchgängig das höchste Risiko, arm zu werden.
Die Regierungsangaben beziehen sich auf Statistiken der Deutschen Rentenversicherung sowie von Eurostat. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung hat. Jüngst veröffentlichte Zahlen der Bundesregierung zeigten bereits, dass über 1,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland weiterhin arbeiten.
Rente reicht oft kaum zum Leben: Jeder Dritte bekommt weniger als 1250 Euro
Mit wie wenig Geld viele Menschen im Alter auskommen müssen, verdeutlicht die Antwort der Bundesregierung zur Lage von Menschen mit mehr als 40 Versicherungsjahren. Aus dieser Gruppe erhielten 2023 mehr als 33 Prozent eine Rente unter 1250 Euro brutto. Bei den Menschen mit 45 Versicherungsjahren waren es noch knapp 25 Prozent.
Empört zeigt sich angesichts dieser Zahlen der Linke-Abgeordnete Matthias W. Birkwald. Er ist renten- und alterspolitischer Sprecher der Gruppe im Bundestag. „Wer behauptet, Armut – und insbesondere Altersarmut – sei in Deutschland nur ein Randphänomen, wird durch die umfangreiche Zahlensammlung unserer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung eines Besseren belehrt“, sagt Birkwald IPPEN.MEDIA. Er bezweifelt, dass viele der Armutsgefährdeten „diese Lücken mit betrieblicher Altersversorgung oder betrieblicher Altersvorsorge oder gar mit privater Vorsorge ausgleichen können; denn von niedrigen Löhnen und Gehältern werden dementsprechend niedrige Beiträge in die Gesetzliche Rente eingezahlt.“
Niedrige Renten: Menschen im Osten und Frauen besonders betroffen
Birkwald weist darauf hin, dass im vergangenen Jahr 1,6 Millionen Frauen mit einer Rente in Höhe von 954 Euro leben mussten. Außerdem prangert der Politiker aus Nordrhein-Westfalen regionale Unterschiede an: „Bezeichnend ist auch, dass der Anteil der Renten mit langer Versicherungszeit unter 1250 Euro besonders im Osten sehr hoch ist. Thüringen hält dabei mit 43,2 Prozent der Renten nach 40 Versicherungsjahren, die unter 1250 Euro liegen, einen ausgesprochen traurigen Rekord“, so der Linken-Politiker.
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Birkwald bekräftigt deshalb eine Forderung seiner Partei: „Niemand sollte im Alter von weniger als 1.250 Euro netto leben müssen. Darum brauchen wir eine einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente von 1.250 Euro.“ Der Abgeordnete verweist auf Österreich, die Niederlande und Schweden als Vorbilder für hohe Renten und will das Rentenniveau dauerhaft auf 53 Prozent anheben: „Denn die Würde des Menschen ist unantastbar. Und Artikel 1 unseres Grundgesetzes muss selbstverständlich auch für Rentnerinnen und Rentner gelten.“