Mit der Angst vor dem Rückfall muss ich weiter leben

Berlin. Im vergangenen Jahr wurde bei Kolumnist Dieter Puhl Prostatakrebs festgestellt. Wie nun die Nachuntersuchung ausging. Viele fragen in den letzten Wochen und Monaten nach, wie es mir geht, und das ist auch gut so. Denn das mit dem Krebs ist doch noch gar nicht so lange her. Im letzten Jahr wurde mir die Prostata
Mit der Angst vor dem Rückfall muss ich weiter leben

Berlin. Im vergangenen Jahr wurde bei Kolumnist Dieter Puhl Prostatakrebs festgestellt. Wie nun die Nachuntersuchung ausging.

Viele fragen in den letzten Wochen und Monaten nach, wie es mir geht, und das ist auch gut so. Denn das mit dem Krebs ist doch noch gar nicht so lange her. Im letzten Jahr wurde mir die Prostata entfernt, danach kamen eine Lungenentzündung und dann auch noch Legionellen. Legionellen braucht kein Mensch, Krebs erst recht nicht. „Alles prima, nur an meiner Kondition arbeite ich noch,“ lautet stets meine Antwort. Ich bin dann immer froh, dass es so ist und nicht anders.

Vor einer Woche aber entglitten meine Messwerte bei der regulären, vierteljährlichen Kontrolluntersuchung. Und am Dienstag dieser Woche wurde erneut Blut entnommen, Urin gab ich auch gleich ab. Und über die vermutlich nötige Strahlentherapie wurde ich auch informiert. Um die reißt sich doch kein Mensch, obwohl sie bei einem Drittel der Männer mit meinem Befund nach der OP dennoch nötig ist.

Eine sensible Sache ist das für Männer. Die Blase liegt daneben und kann vorübergehend beeinträchtigt werden. Schon nach der Prostataentfernung „tröpfelte“ ich doch gelegentlich, beim Husten, selten auch sonst. Slipeinlagen halfen über Unannehmlichkeiten hinweg, sonderlich sexy fand ich sie aber nicht. Beckenbodengymnastik aber half dann wirklich, sehr regelmäßig und diszipliniert machte ich meine Übungen und das mit der gelegentlichen Inkontinenz wurde bereits nach zwei Monaten überwunden. Nun aber drohte erneut Ungemach.

Manchmal wird die Angst zum permanenten Begleiter

Wohl ein Drittel der Menschen in meinem Alter, ich bin 67 Jahre, erkranken an Krebs. Sie haben Freunde, Familie, Partner und so zieht der Krebs doch leider in viele Familien ein. Damit aber auch die Ängste, die damit verbunden sind. Sterben möchte mit 67 Jahren niemand und alle wollen wir doch auch gesund bleiben. Leider hat das Älterwerden aber auch mit Krankheit, häufigen Arztbesuchen, Beeinträchtigungen zu tun. Und manchmal wird die Angst zum permanenten Begleiter.

Ich will leben. Und ich möchte meinen neuen Lebensabschnitt als Rentner genießen, Zeit für Müßiggang haben, mich über meine Enkeltöchter freuen, noch etwas die Welt erkunden, Liebe, Sinnlichkeit und Erotik mit meiner Freundin erleben, noch etwas arbeiten, etwas bewirken; will lachen, weinen, nah sein, möchte Freundinnen und Freunden beistehen. Eine Menge also und die Liste ist längst noch nicht vollständig. Ich habe doch noch so viele Ideen und auch noch etliche Träume.

Mit dem Tod und dem Sterben kann man sich jeden Tag auseinandersetzen; gerne möchte ich das alles aber noch ein paar Jahre verschieben. Meine Freundin tröstete mich dann am Dienstag, ich aber fand kaum zur Ruhe, in der Nacht schlief ich unruhig. Der Krebs ist einfach kein gutes Ruhekissen.

Die Werte dieser Woche waren deutlich besser

Einen Tag später, am Mittwoch um acht Uhr, kam der Anruf meiner Ärztin. Es war die Entwarnung. Die Werte dieser Woche waren deutlich besser. Schon früh am Morgen hatte es eine Telefonkonferenz mit dem Chefurologen der Charité gegeben. Er hatte mir die Prostata entfernt. „Sie sind ein sehr spezieller Fall, alles ist in Ordnung, wir sehen uns in drei Monaten zur Untersuchung wieder.“ Sie war erleichtert, ich erst!

Prostatakrebs: Mehr zum Thema

Ich freute mich und nahm mir vor, das zu feiern. Das Leben und die Liebe, die geschenkte Zeit. Und ich freute mich auf einen Gin Tonic mit meiner Freundin: Abends beim Portugiesen in der Abendsonne, mit ein paar Kleinigkeiten zu futtern.

Mit der Angst vor einem Rückfall muss ich weiter leben. Die gehört beim Krebs dazu. Bei mir, vielleicht auch bei ihnen und einige begleitet diese Angst ja Jahre. Leider. Vielleicht aber macht mich die Angst ja aber wacher gegenüber meinem Leben. Nichts ist selbstverständlich, alles ist geschenkt. Ich freue mich über jeden Tag. So will ich das wohl glauben. Und ich danke tollen Ärzten, meiner Freundin und meinem Schöpfer. Jesus war übrigens nicht fort in dieser Woche, ist nicht nur Gefährte an Sonnentagen. Das zu wissen, macht mich gerade froh.

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