Mit Schnupfen in die Notaufnahme? So geht das Klinikum Darmstadt damit um
Seit Februar betreibt das Klinikum Darmstadt einen „gemeinsamer Tresen“, um seine Notaufnahme zu entlasten. Das Modell funktioniert.
Darmstadt – Im Februar ist der Ärztliche Bereitschaftsdienst ins Klinikum Darmstadt gezogen. Dort wurde ein sogenannter gemeinsamer Tresen eingerichtet, an dem Patientinnen und Patienten sich melden sollen und von wo aus sie entweder zur Notaufnahme geschickt werden oder beim Bereitschaftsdienst behandelt werden – je nach Schwere ihres Falls. Das sollte die Zentrale Notaufnahme (ZNA) entlasten.
Darmstadt ist laut Kassenärztlicher Vereinigung nach dem Klinikum Frankfurt-Höchst der zweite Ort in Hessen, an dem dieses Konzept umgesetzt wird. Nach einem halben Jahr zieht das Klinikum Darmstadt nun Bilanz: Die Zahl der Patient:innen, die vom Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) behandelt wird, sei um knapp 30 Prozent gestiegen, heißt es in einer Mitteilung. Seit Februar habe der ÄBD im Schnitt 824 Patient:innen pro Woche behandelt. Im Vorjahreszeitraum seien es pro Woche 639 gewesen.
Klinikum Darmstadt: Fälle in der Notaufnahme gestiegen
Überraschenderweise sind auch in der Notaufnahme die Patientenzahlen gestiegen und zwar um 1,5 Prozent, wie Pressesprecherin Ariane Steinmetz der FR auf Anfrage mitteilte. Demnach seien von Februar bis August insgesamt 24 657 Menschen in der ZNA ambulant behandelt oder stationär aufgenommen worden. Trotzdem, betont Steinmetz, sei das Modell ein Erfolg. „Patientinnen und Patienten können jetzt schneller und effektiver behandelt werden“, sagt sie. Für den Anstieg in der Notaufnahme könne es unterschiedliche Gründe geben, auch handele es sich nur um einen ersten Zwischenstand. Voriges Jahr versorgte die ZNA 45 000 Patient:innen.
Ein Grund für den Zuwachs könne sein, dass der Bereitschaftsdienst sich nun direkt neben der Notaufnahme befindet und das dortige Labor und die Röntgenabteilung mitnutzt. Dadurch landeten womöglich Patient:innen eher in der Notaufnahme, die früher erst mal nach Hause gegangen seien. „Wenn beispielsweise beim Röntgen gesehen wird, dass es sich um einen Bruch handelt, geht der Patient gleich in die Zentrale Notaufnahme“, erklärt die leitende Oberärztin Christiane Hidas.
Klinikum Darmstadt: „Wir behandeln zuerst die Menschen, die lebensbedrohlich erkrankt sind“
Auch gebe es immer weniger Fachärzte, weswegen sich viele eher ans Krankenhaus wendeten, sagt Steinmetz. Ein generelles Problem war bisher, dass zu viele Menschen mit eher harmlosen Erkrankungen die Notaufnahme aufsuchten. „Den Menschen fällt es zunehmend schwer, realistisch einzuschätzen, welche Versorgung sie brauchen“, sagt ZNA-Leiter Peter-Friederich Petersen. Immer wieder kämen Leute mit seit Wochen andauernden Rückenschmerzen, Erkältungen oder Kopfschmerzen, was zu langen Wartezeiten und damit zu Verdruss führe. „Wir behandeln zuerst die Menschen, die lebensbedrohlich erkrankt sind, der Rest muss warten“, betont Hidas. Sie wünscht sich mehr Gesundheitskompetenz innerhalb der Bevölkerung. Manche Menschen hätten nicht einmal Schmerzmittel zu Hause und seien völlig hilflos.
Gemeinsamer Tresen
Patient:innen melden sich zuerst beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in der Grafenstraße 9 am Haupteingang des Klinikums. Geöffnet Montag, Dienstag, Donnerstag von 19 bis 7 Uhr, Mittwoch und Freitag 14 bis 7 Uhr und an Wochenenden sowie Feiertagen 17 bis 7 Uhr, Telefon 116 117.
Das Personal des ÄBD, entscheidet, ob man dort behandelt oder in der Notaufnahme aufgenommen wird. cka
Notfallversorgung: Bundesregierung plant Reform
Bisher ist der Gang zum gemeinsamen Tresen nicht verpflichtend, auch weil er anders als die Notaufnahme nicht rund um die Uhr geöffnet sei, sagt Steinmetz. Das soll sich demnächst ändern. Von Oktober an sei zudem geplant, die Mitarbeiter:innen bei der Entscheidungsfindung, wo Betroffene versorgt werden müssen, durch eine Software zu unterstützen.
Meine news
Das Modell des gemeinsamen Tresens soll laut KV-Sprecher Karl Matthias Roth ausgeweitet werden. Weitere Stellen seien an großen Kliniken geplant. Das Konzept geht in eine ähnliche Richtung wie aktuelle Pläne der Bundesregierung. Diese will die Notfallversorgung reformieren – und entlasten. Künftig sollen Patient:innen in Akutleitstellen anrufen, und von dort zum weiteren Vorgehen beraten werden.
Auch am Klinikum Darmstadt spricht man sich für eine telefonische Vorselektion aus: „Die Menschen“, sagt Hidas, „brauchen eine fachkundige Beratung, die sie in die richtige Versorgungsstufe schickt.“