Hannover. Die deutschen Fußball-Frauen bangen vor den Olympischen Spielen um Lena Oberdorf. Der Sieg in der EM-Quali gegen Österreich wird zur Nebensache.
Noch ist nicht alles Gold, was glänzt, doch ganz so abwegig wie vor wenigen Tagen ist der Traum von einer Olympia-Medaille nicht mehr: Die deutschen Fußballerinnen haben sich im letzten EM-Qualifikationsspiel mit einem verdienten 4:0 (2:0) gegen Österreich einigen Rückenwind für den bald anstehenden Frankreich-Trip abgeholt. 43.953 Fans in der ausverkauften Arena von Hannover entfachten zwar nicht eine solche Lautstärke wie bei den EM-Partien der Männer, aber genügende stimmungsvolle Momente gab es vor der besten Kulisse seit elf Jahren (46.107 Zuschauer in München gegen Japan) durch die Tore von Klara Bühl (11. und 90.+3), Jule Brand (39.) und Lea Schüller (53.) allemal. Und natürlich wurde eifrig zum Peter-Schilling-Klassiker wieder einmal „Völlig losgelöst“ gesungen – am Ende trällerten die meisten Besucher ein „Oh wie ist das schön“. Die Ehrenrunde berührte die deutschen Frauen sichtlich. Doppeltorschützin Bühl betonte ergriffen: „Die Fans waren das ganze Spiel da. Das ist ein unglaubliches Gefühl, vor so einer Kulisse zu spielen.“
Auch Horst Hrubesch zeigte sich ob dieser Begeisterung hocherfreut. „Auch ich freue mich, das haben sich die Mädels verdient: Das toppt alles. Es war wichtig für uns, dass wir ein positives Ergebnis mitnehmen“, beteuerte der Noch-Bundestrainer. Die Generalprobe fürs olympische Fußball-Turnier trübte allerdings die Verletzung von Lena Oberdorf, die nach 69 Minuten mit einem lauten Schrei auf dem Rasen zusammensackte, sich das rechte Knie hielt und humpelnd in die Kabine geleitet wurde.
Sollte die beim Gang in die Kabine gestützte Mittelfeldabräumerin ausfallen, „würde uns das verdammt weh tun“, gestand Hrubesch. Denn mit ihrer energetischen Attitüde und enormen Präsenz ist die Weltklasse-Sechserin – gerade erst vom VfL Wolfsburg zum FC Bayern gewechselt – eigentlich unverzichtbar. Die 22-Jährige soll am Mittwoch näher untersucht werden.
DFB-Frauen deutlich gefestigter als im letzten Spiel
Horst Hrubesch hatte an diesem Abend einen pikanten Rollentausch zwischen den Pfosten vorgenommen: Das zehnte Länderspiel der von zwei Krebserkrankungen geheilten Ann-Katrin Berger könnte ein Fingerzeig sein, dass der Noch-Bundestrainer der 33-Jährigen auch bei Olympia vertraut. Die inzwischen für NJ/NY Gotham FC in den USA spielende Berger wirkte sehr präsent – und überdies holte sie sich zwei Scorerpunkte.
Melanie Leupolz und Svenja Huth verabschiedet
Für die bislang als unangefochtene Nummer eins geltende Merle Frohms wäre das ein schwerer Schlag. Die 29-jährige Stammtorhüterin hatte zuletzt bei der Blamage gegen Island (0:3) gepatzt. Mit Abwehrchefin Marina Hegering und Torjägerin Alexandra Popp wackeln weitere Stützen aus gesundheitlichen Gründen. Auch ohne die geschonten Führungsspielerinnen startete die deutsche Elf endlich energisch und belohnte sich durch Bühl, die zuvor das von ihr gestrickte Woll-Maskottchen „Ottienne“ präsentiert hatte. Nach dem 1:0 riss jedoch der Faden für eine ganze Weile, ehe Brand bei ihrem entschlossenen Sololauf zum 2:0 einen persönlichen Aufwärtstrend krönte. Zur zweiten Halbzeit leitete die für die blasse Laura Freigang gekommene Elisa Senß prompt den überfälligen Treffer der stets gefährlichen Angreiferin Schüller ein. Stark spielte auf dem frisch verlegten Rollrasen ansonsten Innenverteidigerin Bibiana Schule Solano.
Vor Anpfiff hatten Melanie Leupolz und Svenja Huth große Blumensträuße erhalten. Die Olympiasiegerinnen von 2016 haben inzwischen ihre Karriere im DFB-Trikot beendet; sie wissen, dass Olympia ein ganz spezielles Turnier ist. Ein kleiner Kader mit nur 18 Spielerinnen, die enge Taktung gegen Gegner wie Australien (25. Juli), die USA (28. Juli) und Sambia (31. Juli) und die erwartete Hitze anfangs in Marseille machen es nicht einfach, das Finale in Paris zu erreichen. Nur dann kommen Popp und Co. bis ins Olympische Dorf, wo Hrubesch unbedingt noch einmal hin will und deshalb verlangt: „Wir müssen alles bündeln.“ Der 73-Jährige hat seinem Kader noch mal ein paar Tage frei gegeben, ehe es am Wochenende von Frankfurt aus im Flieger direkt nach Südfrankreich geht.