Oberhavel
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Kunst und Wohnen: Ein Maler verwandelt eine alte Kirche in Kreuzbruch
Als sich Horst-Werner Schneider vor fast 30 Jahren in die alte Kirche in Kreuzbruch verliebte, glich sie einer Ruine: Kaputte Scheiben, Bäume wuchsen aus dem Dach. Schneider kaufte das Bauwerk, renovierte es – und zeigt hier seine Bilder. Von Karsten Zummack
Schnellen Schrittes steigt Horst-Werner Schneider die steilen Holztreppen hinauf, öffnet die Türen zu einer kleinen Besichtigung. Hier das Bad, dort Arbeits- und Schlafzimmer. Durch eine riesige Glasfront blickt der rüstige 80-Jährige, ein offenes Jeanshemd leger über dem schwarzen T-Shirt, von oben auf das Kirchenschiff. Ein Gotteshaus zum Arbeiten und Schlafen!
Fußbodenheizung, Küche, Bad
“Was Sie hier sehen, ist wirklich alles neu”, sagt Schneider und deutet auf die dicken hellen Holzbalken im Treppenhaus. Unter den Mosaikfliesen hat er eine Fußbodenheizung, darüber eine offene Küche einbauen lassen. Natürlich ist im Haus die Vergangenheit unübersehbar. “Die Kanzel konnte ich gut retten”, freut sich der Kircheninhaber. In das Kirchenschiff hat er Stühle und Tisch gerückt — ein Stück Wohnzimmeratmosphäre. An den Wänden hängen selbstgemalte Landschaftsbilder des 80-Jährigen.
Horst-Werner Schneider stammt aus Sachsen-Anhalt. Im Laufe seiner beruflichen Laufbahn hat er nach Erdöl gebohrt, Häuser und Kläranlagen gebaut. Er war Patentanwalt, Ingenieur – und eben Kunstmaler. In den 90er-Jahren verschlug es ihn ins kleine Kreuzbruch, einen langgezogenen Ortsteil von Liebenwalde. Die Häuser der 180 Einwohner stehen hier weit auseinander, einen Dorfkern gibt es nicht. Über allem thront aber die 30 Meter hohe Kirche, ein neugotischer Backsteinbau.
Dem Verfall preisgegeben
“Wenn man hier vorbeifuhr und die Kirchenruine sah, tat das Herz immer ein bisschen weh”, erinnert sich Schneider. Schließlich entschieden sich der Kunstmaler und seine Frau, das marode Gebäude zu kaufen. Etwa 30.000 D-Mark hat das, inklusive Grundstück, gekostet. Beide investierten viel Zeit und Geld in die Sanierung. Was er konkret reingesteckt hat, will Horst-Werner Schneider nicht verraten.
1998 hat er die Kirche gekauft. Vier Jahre lang wurde gebaut. Zu diesem Zeitpunkt stand das Gotteshaus bereits seit drei Jahrzehnten leer, war dem Verfall preisgegeben. “Wir hatten Angst, dass es zusammenbricht. Oben im Dach wuchsen in der Kirchenspitze schon Bäume”, sagt Schneider. Vieles konnte er retten, die Orgel allerdings nicht. Stattdessen ist hier eine Stätte zum Arbeiten und Wohnen entstanden.
Öffentlich zugänglich
Jahrelang hat er die Kirche vermietet. Inzwischen nutzt er sie selbst: für Kunst, Veranstaltungen, die eigene Dauerausstellung. Im Obergeschoss lagern Akten. Hier arbeitet Horst-Werner Schneider, manchmal schläft er auch hier. Zum Gottesdienst müssen die Christen aus Kreuzbruch ins nahegelegene Liebenwalde. Doch immerhin ist es gelungen, die Kirche im Dorf zu lassen.
“Wir müssen froh sein, dass die Kirche erhalten wurde”, sagt Nachbar Tomir Ludwig — obwohl sich seine Frau noch mehr Veranstaltungen in dem Haus wünschen würde. Dass das Gotteshaus privat genutzt wird, sei “bestimmt gewöhnungsbedürftig”, räumt der neue Ortsvorsteher Thomas Krüger ein. Gleichzeitig freut er sich, dass es für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. “Ich habe hier schon wunderschöne Zeiten erlebt. Jeder, der interessiert ist, kann sich an dieser Kirche erfreuen.”
Selbst aus der Kirche ausgetreten
Der benachbarte Friedhof ist weiter jederzeit für alle geöffnet. “Das Endlager”, scherzt Kircheninhaber Horst-Werner Schneider. Wenn er dort auf der Bank sitzt, genießt er die Ruhe … und den Blick auf seinen 30 Meter hohen Backsteinbau. Sein Lieblingsort aber ist drinnen: Er hat das Kirchenschiff zu einer kleinen Sitzecke umfunktioniert. Bei privaten Treffen sei die Kanzel besonders beliebt bei den Gästen.
Dabei ist der 80-Jährige zwar getauft und konfirmiert, aber schon lange aus der Kirche ausgetreten. Einen Widerspruch sieht er darin nicht. “Ich habe mein eigenes Refugium, was den Glauben betrifft. Ich bin hier Pfarrer, das ist meine Kirche, mein Glauben und ich brauche keinen anderen”, sagt Schneider. Mühe und Investitionen hat er nie bereut. “Man weiß, man hat es selbst gebaut”.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 16.08.2024, 18:30 Uhr
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