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Eine Mumie, die aussieht, als würde sie schreien, könnte tatsächlich mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht gestorben sein. Diese Hypothese vertreten zumindest ägyptische Wissenschaftlerinnen nach der Untersuchung der Mumie mit mehreren bildgebenden Verfahren.
Sie vermuten einen Leichenkrampf, der einzelne Muskelpartien erstarren lässt. Die Studie von Sahar Saleem von der Universität Kairo und Samia El-Merghani vom ägyptischen Ministerium für Tourismus und Antiquitäten ist im Fachjournal „Frontiers in Medicine“ erschienen.
Bei diesem seltenen Leichenkrampf werden Muskelgruppen, die kurz vor dem Tod stark beansprucht werden, unmittelbar danach steif und unbeweglich, weswegen sie sich auch nach dem Nachlassen der Totenstarre nicht mehr bewegen lassen.
Diese sofortige Starre betrifft jedoch meist die Hände, nur sehr selten den gesamten Körper. Nachgewiesen wurde sie etwa bei Ertrinken, Selbstmorden oder tätlichen Angriffen. Die Totenstarre hingegen setzt erst einige Stunden nach dem Tod ein.
Die untersuchte weibliche Mumie wurde bei einer Expedition des Metropolitan Museum of New York in den Jahren 1935 und 1936 entdeckt. Sie lag in einem Holzsarg bei den Verwandten von Senenmut, dem Architekten und Aufseher königlicher Arbeiten von Hatschepsut. Diese ägyptische Pharaonin regierte in der 18. Dynastie von 1479 bis 1458 vor unserer Zeitrechnung.
Die Mumie trug zwei Ringe in Gold und Silber mit dem heiligen Käfer Skarabäus und eine schwarze Perücke. Ein Name war allerdings nicht zu finden, was insofern verwunderlich ist, als nach dem damaligen Glauben ein Verstorbener ohne Namen nicht ins Jenseits gelangen konnte.
Im Allgemeinen sehen ägyptische Mumien friedlich aus, wenngleich es auch einige Beispiele gibt, in denen die Gesichter schmerzverzerrt wirken oder Münder offen stehen. In diesen Fällen gehen Forscher in der Regel davon aus, dass die Einbalsamierung nachlässig vollzogen wurde.
Bei der untersuchten Mumie wurden die Organe, anders als sonst üblich, nicht entfernt. Gehirn, Zwerchfell, Herz, Lunge, Leber, Milz, Nieren und Eingeweide sind vertrocknet, aber annähernd an dem Platz, an den sie gehören. Das Gehirn liegt stark verdichtet an der hinteren Schädeldecke, wie eine Computertomografie-Aufnahme (CT) zeigt.
„Hier zeigen wir, dass sie mit teurem, importiertem Einbalsamierungsmaterial einbalsamiert wurde. Dies und das gut erhaltene Aussehen der Mumie widersprechen der traditionellen Überzeugung, dass eine fehlende Entfernung ihrer inneren Organe auf eine schlechte Mumifizierung hindeutet“, wird Saleem in einer Mitteilung zitiert.
Zu den Materialien gehörten demnach unter anderem Weihrauchharz, Wacholderharz und Teebaumöl, die aus anderen Gegenden stammen. Wegen der teuren Mittel sei es unwahrscheinlich, dass die Einbalsamierer nachlässig waren und vergaßen, ihren Mund zu schließen.
Die weiteren Untersuchungen mit CT, Fourier-Transform-Infrarotspektrometer (FTIR) und Rasterelektronenmikroskop (REM) ergaben, dass die Frau zum Zeitpunkt ihres Todes etwa 48 Jahre alt und 1,54 Meter groß war. Sie hatte eine leichte Arthritis in der Wirbelsäule und Abnutzungserscheinungen an Knochen und Gelenken, wie sie für das Alter üblich sind. Zähne, die ihr fehlen, könnten schon zu Lebzeiten gezogen worden sein, worauf Heilungsspuren an den Kieferknochen hinweisen. Eine eindeutige Todesursache konnten Saleem und El-Merghani im mumifizierten Körper indes nicht entdecken.
Die Studienautorinnen führen aus, dass sich eine Totenstarre nach einigen Tagen löse, weil körpereigene Enzyme mit der Auflösung der Muskeln beginnen. Beim Leichenkrampf sei dies anders: „Er tritt nach schwerer körperlicher oder emotionaler Aktivität auf und führt zu einer sofortigen Totenstarre, da die kontrahierten Muskeln unmittelbar nach dem Tod starr werden und sich nicht entspannen können.“
Deswegen könne der schreiende Gesichtsausdruck der untersuchten Mumie als Leichenkrampf interpretiert werden – „was bedeuten würde, dass die Frau schreiend vor Qualen oder Schmerzen starb“, meint Saleem.
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