„Sehr viele Tränen“: MKK-Sportschützin erlebt Olympia-Albtraum
Sportschützin Doreen Vennekamp fährt nach Paris, um ihre Karriere mit einer Medaille bei Olympischen Spielen zu krönen. Doch die Ronneburgerin scheitert.
Châteauroux/Ronneburg – Die Zahl der Nachrichten, die Doreen Vennekamp in den vergangenen Tagen erreichten, ging in die Hunderte. Auf der Heimreise aus Frankreich nimmt sie sich die Zeit, einige zu beantworten. Hinter ihr liegen ereignisreiche Tage, Wochen, Monate. Alle geprägt vom Ziel, bei den Olympischen Spielen 2024 eine Medaille zu holen – doch dieser Traum platzte.
„Tränen, sehr viele Tränen“, beschreibt die Sportschützin aus Ronneburg ( Main-Kinzig-Kreis) ihre erste Reaktion auf ihr überraschendes Aus in der Qualifikation mit der Sportpistole. Vennekamp, die Weltmeisterin und Weltranglistenerste, verpasst das absolute Minimalziel, das Finale. Zum ersten Mal seit drei Jahren überhaupt steht sie in einem Wettkampf nicht im Endlauf. „Es ist traurig, dass diese Erfolgsserie ausgerechnet bei diesem Event gerissen ist“, sagt die Ronneburgerin, die beim SV Hubertus Hüttengesäß mit dem Schießsport begonnen hatte.
„Tränen, sehr viele Tränen“: Doreen Vennekamp scheitert bei Olympia 2024
Ihre steile Karriere sollte eigentlich bei den Spielen 2024 mit olympischem Edelmetall gekrönt werden. In drei Wettbewerben ging sie an den Start, mit der Luftpistole scheiterte sie – „ohnehin mehr Pflicht als Kür“– in der Qualifikation. Kein Drama. Im Mixed verpasste sie die Finalteilnahme im Grunde nur, weil ihr Partner schwächelte. Abgehakt. Doch mit der Sportpistole, ihrer Paradedisziplin, war das Aus in der Qualifikation ein Schock. Für Vennekamp, für ihr Team, ihre Trainer, ihre Familie und Freunde, für den gesamten Schützenbund.
„Ich habe ab dem ersten Schuss versucht, Fehler zu vermeiden. Das ist nicht meine Art, wie ich sonst schieße. Ich habe sehr defensiv geschossen und bin dadurch auch mental in die Defensive geraten“, suchte Vennekamp im Anschluss an den Wettkampf nach einer Erklärung. Die Weltmeisterin fand zu keinem Zeitpunkt in ihren Rhythmus, landete im Präzisionsteil nur auf Rang 19. In ihrer absoluten Spezialdisziplin, dem Duell, hatte man eine Aufholjagd erwartet. Doch von der Doreen Vennekamp, die in den vergangenen Jahren mit der Sportpistole die Weltkonkurrenz dominierte, war nicht viel zu sehen. 294 Ringe schoss sie, 297 und mehr sind normalerweise problemlos möglich. Im absoluten Notfall hatte sie mit 295 kalkuliert. Am Ende landete sie auf Rang 13 – nur die besten Acht zogen ins Finale ein.
Sportschützin aus dem Main-Kinzig-Kreis als Weltmeisterin bei Olympia 2024
„Wenn man als Weltmeisterin reingeht, will man natürlich etwas erreichen“, sagte Vennekamp nach dem Drama. „Es ist ein anderer Druck, die anderen Spiele (Tokio 2021, Anm. d. Red) waren einfach anders. Im Duell hat mich das Publikum unterstützt und alles versucht, aber die Hürde war heute ein Stück zu hoch“, sagte die 29-Jährige nach dem Aus mit Tränen in den Augen.
Das Drama von Châteauroux ist nun bereits ein paar Tage her, aber natürlich noch allgegenwärtig. „Der Samstag war sehr emotional, da war es für mich sehr schwierig, das zu verarbeiten“, sagt sie. Vergleichbare Niederlagen hat Vennekamp in ihrer Karriere noch nicht erlebt, überhaupt ist das Gefühl, gescheitert zu sein, für sie ein ganz neues. Sich nach der Enttäuschung schnell verkriechen, das ist aber nicht Vennekamps Art. „Es sind Freunde extra für mich angereist. Auch wenn es wehtut, sind wir füreinander da. In guten wie in schlechten Zeiten“, sagt Vennekamp, die sich später auch Zeit für sich genommen hat, den Wettkampf zu verarbeiten, zu analysieren. Sie hat aufgeschrieben, wie ihre Erfahrungen waren, was gut lief, was schlecht lief. Was die Gründe sein könnten.
Doreen Vennekamp erfüllt eigene Erwartungen bei Olympia nicht – Aufarbeitung steht an
„Wir werden uns die Zeit nehmen, alles zusammenzufassen und mit den Trainern zu besprechen“, sagt sie. Waren der Druck, die Erwartungshaltung zu groß? Im Vorfeld hatte Vennekamp immer von einer Medaille gesprochen. Alles andere hätte man ihr aber auch nicht abgekauft. Dieser Druck, in der Weltspitze angekommen zu sein und abliefern zu müssen, war auf diesem Level neu. Wichtig sei nun vor allem, „nicht anzufangen, zu zweifeln“, sagt Vennekamp: „Ich bin Weltmeisterin geworden, das habe ich nicht geschenkt bekommen.“
Bei den letzten Schießwettbewerben hat sie ihre Teamkollegen in der Schießanlage weiter unterstützt, auch wenn es ein mulmiges Gefühl war, in der Halle zu sein. Die deutschen Schützen gingen, wie schon in Tokio, ohne Edelmetall nach Hause. Eine Bilanz, die die olympische Erfahrung trübt.
Abschlussfeier im Stade de France: Doreen Vennekamp ist vor Ort – auch ohne Medaille
Ohnehin waren die Spiele für die Schützen keine einfachen, befanden sie sich doch im rund 250 Kilometer von Paris entfernten Châteauroux, weit weg vom Trubel des Olympiadorfs. „Die Stadt und die Einwohner haben sich wirklich große Mühe gegeben. Die Plätze waren geschmückt, in den Schaufenstern hingen Schießscheiben, das war schön gemacht“, sagt Vennekamp. Aber: „Das Feeling von Olympia hat ein bisschen gefehlt.“
Am Freitag fährt Vennekamp zurück nach Frankreich. Diesmal nach Paris. Gemeinsam mit dem Schützenteam wird sie an der Abschlussfeier am Sonntag (11. August) im Stade de France teilnehmen, richtiges Olympia-Feeling mitnehmen. „Das wird ein würdiger Abschluss“, freut sich Vennekamp – auch, wenn die erwartete Medaille nicht um ihren Hals hängt. (Michael Bellack)