Skateboarderin Lilly Stoephasius
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Olympia-Routine mit 17 Jahren
Die Berlinerin hält einen deutschen Olympia-Rekord und ist doch viel mehr als nur eine außergewöhnlich junge Ahtletin. Warum das Alter trotzdem eine Rolle spielt für Lilly Stoephasius – und was gut gehen muss, damit es gut wird in Paris. Von Ilja Behnisch
Und Sie so? Was haben Sie so getrieben, mit 17? Sich auf ihre zweite Teilnahme bei Olympischen Spielen vorbereitet? Ganz sicher nicht. Das lässt sich mit dieser fast schon unfreundlichen Bestimmtheit sagen, weil die Berliner Skateboarderin Lilly Stoephasius 2021 in Tokio die bis dato jüngste deutsche Olympia-Teilnehmerin aller Zeiten war. Mit gerade einmal 14 Jahren.
Doch dieser Rekord brachte auch Probleme mit sich. So beklagte sich ihr Bundestrainer, Jürgen Horrwarth, Stoephasius würde vor allem als “süßes Mädchen” dargestellt in den Medien – und nicht als ernsthafte Athletin.
Dabei war sie ja nicht wegen ihres Alters zu den Olympischen Spielen gereist, sondern weil sie sich sportlich qualifiziert hatte. Weil sie schon mit elf Jahren erstmals deutsche Meisterin wurde in ihrer Disziplin, dem Park-Skaten. Weil sie ein Jahr später Vize-Europameisterin und Dritte bei der Weltmeisterschaft wurde.
Inzwischen ist sie auch mal die Älteste
Stoephasius ist zweifellos ein Ausnahmetalent. Im Alter von elf Monaten steht sie erstmals auf dem Board. Noch ehe sie laufen kann. Mit drei Jahren beginnt sie schließlich, regelmäßig zu fahren. Papa Oliver, selbst Skater, ist ihr Trainer, bis heute. Dem rbb sagte er einmal: “Sie wurde sehr schnell besser und bald auch besser, als ich selbst jeweils war.”
Heute trainiert sie drei bis vier Mal pro Woche, jeweils mindestens drei Stunden. Es ist nicht immer leicht, sagt sie: “Es gibt ein paar Tage in Berlin, wenn es seit ein paar Wochen regnet, und es ist grau und es ist nass und kalt und ich weiß, ich habe noch Hausaufgaben auf.” Stoephasius geht in die 11. Klasse, arbeitet neben ihrer Sportler-Karriere am Abitur. Oft auch fernab der Schule, dann, wenn es zum Training oder zu Wettkämpfen rund um die Welt geht. Zum Glück ist sie “recht gut in der Schule”, wie sie sagt. Zum Glück hat sie Lehrer, “die mich sehr gut unterstützen”. Sie arbeitet die Lehrinhalte selbst nach. “Es ist schwierig”, sagt sie, “aber bis jetzt habe ich das alles recht gut hingekriegt.”
Schule, Freizeit, Freunde. Alles kommt zu kurz. Manchmal habe sie sich deshalb schon gefragt, ob sie nicht zu viel Kindheit verpasst habe. Andererseits: “Ich habe so viele Erfahrungen gemacht, auf der ganzen Welt Freundschaften geschlossen. Klar war es manchmal schwer und ich musste sehr schnell erwachsen werden. Aber ich würde es nochmal genauso machen.”
Vielleicht auch, weil die Welt-Elite ihres Sports, die Top 30, wie eine zweite Familie für sie ist. Eine Familie, in der sie sich selbst nie als jung angesehen hat. Weil viele andere auf ihrem Niveau, auch bei Olympia, in einem ähnlichen Alter sind. Manche von ihnen kennt sie seit zehn Jahren. Und überhaupt. Unlängst, bei den X-Games, einem der größten Skateboard-Events der Welt, war sie die Älteste im Finale. Am Ende wurde sie Vierte, verpasste das Podium nur äußerst knapp.
Hoffen auf Nachahmerinnen
Auch für die Olympischen Spiele in Paris lautet das Ziel: Finale. In Tokio, drei Jahre zuvor, war sie nach den Vorläufen Neunte. Die besten Acht ziehen in die Endrunde ein. Diese Hürde will sie nun überspringen. Allerdings, so Stoephasius: “Wenn ich den Lauf fehlerfrei zeige und es reicht nicht, dann ist es so, dann werde ich nicht allzu traurig sein.”
Es ist das Mantra vieler Sportler. Weil sie anerkennen können, dass andere besser sind, auch wenn man sein Bestes zeigt. Immerhin ist sich Stoephasius sicher: “Ich kann eigentlich recht viele Tricks, die für ein gutes Ergebnis reichen würden. Aber ich muss es halt in einem von drei Versuchen hinstellen.”
45 Sekunden dauert so ein Versuch. Das genügt für fünf Tricks. Drei davon sollten mindestens klappen für einen guten Durchlauf. Weshalb sie zuletzt vor allem an der Sicherheit ihrer Abläufe gearbeitet hat. Stoephasius beschreibt sich dabei selbst als eher technische, weniger als kraftvolle Skaterin. Ihre Disziplin, Park, lebt aber ohnehin von hohen Wänden und der dadurch entstehenden Dynamik. Mehr als beim sogenannten Street-Skateboarding. Gefährlich sehe das zuweilen aus, “weil man die ganze Zeit fällt. Aber 99 Prozent der Zeit falle ich kontrolliert”.
Stoephasius glaubt, dass viele junge Mädchen wegen der Stürze Abstand vom Skaten halten würden und hofft, für ein Umdenken sorgen zu können. Sie habe zwar nie schlechte Erfahrungen gemacht im Skatepark, aber “trotzdem wäre es für mich damals einfach schöner gewesen, wenn da noch ein Mädchen in meinem Alter gewesen wäre.”
Bei den Olympischen Spielen wird ihr dieser Wunsch erfüllt. Und auch wenn sie sich freut, dass bei diesen Spielen, anders als bei den Corona-Spielen von Tokio 2021, Fans und Familien anwesend sein werden in Paris und auch, wenn sie sich wieder nicht zu viel Druck machen will, gibt es einen Unterschied zu vor drei Jahren: “Ich versuche mich ein bisschen mehr auf den Wettkampf zu konzentrieren.”
Das soll auch zukünftig der Haupt-Fokus sein. Vor allem, wenn sie im kommenden Jahr das Abitur geschafft hat, erstmal nicht studiert, sondern alles auf die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles ausrichten will. Es wären ihre dritten. Mit 21. Was Sie da so getrieben haben, fragen wir besser gar nicht erst.
Sendung: rbb|24 Inforadio, 19.07.2024, 12:15 Uhr
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