Solaranlagen-Firma prellt Kunden – Geschäftsführer verschwindet mit Millionensumme

Startseite Bayern Solaranlagen-Firma prellt Kunden – Geschäftsführer verschwindet mit Millionensumme Stand: 04.08.2024, 11:04 Uhr Von: Martin Becker Kommentare Drucken Teilen Montage von Solaranlagen. Die Firma witterte ein lukratives Geschäft. © Symbolfoto IMAGO/Mischa Keijser Wirbel um die Solaranlagen-Firma „Go Solar GmbH“ aus Oberschleißheim: Kunden klagen über Abzocke – und der Geschäftsführer verschwindet mitsamt Millionensumme. Zwei Solar-Panels hängen
Solaranlagen-Firma prellt Kunden – Geschäftsführer verschwindet mit Millionensumme
  1. Startseite
  2. Bayern

Solaranlagen-Firma prellt Kunden – Geschäftsführer verschwindet mit Millionensumme

Kommentare

Engineers installing solar panels on sunny day model released, Symbolfoto property released, MKJF00189
Montage von Solaranlagen. Die Firma witterte ein lukratives Geschäft. © Symbolfoto IMAGO/Mischa Keijser

Wirbel um die Solaranlagen-Firma „Go Solar GmbH“ aus Oberschleißheim: Kunden klagen über Abzocke – und der Geschäftsführer verschwindet mitsamt Millionensumme.

Zwei Solar-Panels hängen als Muster an der Wand im dritten Stockwerk der Sonnenstraße 7a in Oberschleißheim, daneben stecken Werbeprospekte in einem Kasten. „Teure Strompreise waren gestern“, heißt es darin, oder „in wenigen Wochen auf dem Dach“. Geraume Zeit lief das Geschäft der „Go Solar GmbH“ mit dem Verkauf und der Montage von Solaranlagen gut, die Bewertungen auf Internetportalen wie Trustpilot: durchweg positiv.

Bis sich die Situation am 18. Juli schlagartig änderte. „Nichts geht mehr, es herrscht Chaos“, sagt einer der verbliebenen Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Geschäftsführer sei abgetaucht, mit ihm ist eine Millionensumme verschwunden, unzählige Kunden bangen um ihre Anzahlungen. „Das riecht nach Betrug“, berichtet der junge Mann, der als Handelsvertreter die Solaranlagen verkaufte, im Gespräch mit unserer Zeitung. Mittlerweile ermittelt die Kriminalpolizei, unter dem Aktenzeichen BY 8664-505775-24/1 sind schon diverse Strafanzeigen vermerkt. Und täglich werden es mehr.

Der Schreibtisch des Geschäftsführers ist verwaist

Wer in den Fall tiefer eintaucht, stößt auf ein etwas undurchsichtiges Geflecht aus Geschäftsbeziehungen, bei denen der Wirtschaftsanalyse-Plattform Northdata zufolge offenbar ein Mann die Fäden zieht: der Nigerianer C. P. O. – er ist Geschäftsführer der Go Solar GmbH plus zwei fast namensgleicher Unterfirmen; außerdem firmiert unter der Adresse in Oberschleißheim eine „Deep Holdings GmbH“, deren Name mit einem grünen Papierfitzelchen zusätzlich auf den Briefkasten geklebt ist. Der 45-Jährige steht im Verdacht, das Firmenkonto leer geräumt und sich mit dem Geld aus dem Staub gemacht zu haben.

Ortstermin in Oberschleißheim. Der Schreibtisch des verschwundenen Geschäftsführers ist verwaist, zwei Mitarbeiter – ein Handelsvertreter und ein Monteur – halten die Stellung. Denn fast pausenlos klingelt irgendein Telefon, besorgte Kunden melden sich. Weil Termine nicht eingehalten wurden, weil sie seit einigen Tagen die Flut von erbosten Kommentaren auf der Bewertungsplattform Trustpilot mitbekommen. „Ich gehöre auch zu den Betrogenen. Firma ist spurlos verschwunden“, heißt es dort beispielsweise, oder: „Finger weg, alles Betrug! Die Firma ist pleite, Webseite ist gesperrt, das ganze Geld ist weg und Anlage wird nicht geliefert.“

Wegweiser zu „Go Solar“ am Eingang in Oberschleißheim.
Was übrig blieb: Wegweiser zu „Go Solar“ am Eingang in Oberschleißheim. © Martin Becker

Vor ein paar Monaten sah das noch anders aus. Im Internet bewarb die Firma eine „Photovoltaik All-In-One-Anlage“ zum „konkurrenzlosen Aktionspreis“ von 16 999 Euro, auf Facebook ist im Abendlicht der Lieferwagen abgebildet mit der Aufschrift: „Warum für Strom zahlen, wenn die Sonne scheint?“ Eine Weile lief „alles reibungslos“, erzählt der Handelsvertreter, der seit einem Jahr für Go Solar arbeitet. 2023 habe die Firma annähernd 15 Millionen Euro Umsatz gemacht, heuer habe das Geschäft einen zusätzlichen Schub erhalten durch eine Kooperation mit dem namhaften Hersteller Viessmann: „Durch günstige Einkaufspreise hatten wir die Chance, die Anlagen in ganz Deutschland zu verkaufen und zu verbauen. Das lief gut, es war ein leichtes Geschäft.“

Firmenchef verschwindet: Geschäftskonto weitgehend geplündert

Eins, das schon Mitte April einen Knick bekam. Seitdem wurde der Geschäftsführer nur noch sporadisch in Oberschleißheim gesehen, Innendienstkräfte erhielten ihr Gehalt nicht mehr und sprangen ab, „während der Geschäftsführer sich selbst monatlich ein vierstelliges Gehalt auszahlen ließ“, sagt der Handelsvertreter. Termine habe der Firmenchef aus Nigeria um vier Wochen verschoben und dies mit dem Hochwasser im Mai begründet. „Trotzdem, so lautete seine Anweisung, sollten wir immer weiter verkaufen.“

Und dann, am 18. Juli, der große Knall: Der Chef kappte alle Kontakte. Nur er allein hat Zugriff aufs Geschäftskonto – das wurde, haben die beiden verbliebenen Kollegen eruiert, weitgehend geplündert. Plötzlich ist auch die Webseite www.gosolargmbh.de nicht mehr erreichbar. Als die beiden Mitarbeiter in Oberschleißheim versuchen, Kunden zu informieren und zu warnen, misslingt dies. Grund: „Das Marketing lief über eine externe Firma. Die sitzt in Dubai, wurde nicht mehr bezahlt und rückt die Kundendaten nicht heraus.“

Das Firmenauto von „Go Solar“ beim Ortstermin in Oberschleißheim.
Das Firmenauto von „Go Solar“ beim Ortstermin in Oberschleißheim. © Martin Becker

Auf einer weißen Tafel an der Wand sind mit blauem Stift allerlei Zahlen aufgeschrieben. Forderungen, die noch zu bedienen sind – unter anderem für Strom, Vertrieb, an Solarpartner Viessmann, an die Allianz. Rund 160 000 Euro summieren sich, dazu kommen all die Kunden, die 40 Prozent Anzahlung geleistet oder teils sogar schon den Komplettpreis von rund 17 000 Euro vorab gezahlt haben. „Es tut mir leid für die Kunden“, sagt der Handelsvertreter, „aber das Geld ist wohl weg.“

Das besonders Unangenehme: Weil kein Zugriff auf die Kundendaten besteht, können die Betroffenen nicht aktiv kontaktiert werden. Und so passiert es, wie bei unserem Ortstermin, dass ein älterer Herr aus München völlig ahnungslos ins Büro kommt und fragt, wann er denn die 4000 Euro Schlusszahlung leisten solle, weil seine Solaranlage zwar montiert, aber nicht angeschlossen wurde. Dass er sich das Geld sparen und neue Handwerker finden soll, lautet die Auskunft – die Verblüffung steht dem Mann ins Gesicht geschrieben.

Es ist ein Potpourri an Straftaten, von Urkundenfälschung über Unterschlagung bis Betrug.

Hyazinth Styra, Geschädigter

Besonders hart getroffen hat es Hyazinth Styra, Familienvater aus Erding. „Wir haben über neun Monate unser neues Zuhause saniert und bewusst auf grüne Technologien Wert gelegt. Neben neuen Fenstern, der Dämmung, der Wärmepumpe sollte die Photovoltaianlage die Krönung unseres Heimes sein“, berichtet der 49-Jährige. Er sondierte den Markt – und entschied sich für das Angebot von „Go Solar“, weil die renommierte Firma Viessmann als Kooperationspartner „für überragende Technologie und höchste Reputation steht“, so der Erdinger.

Styra
Mit „sonnigen Grüßen“ abgespeist: Hyazinth Styra aus Erding mit seiner Familie. © HANS STERR

Er finanzierte die knapp 18 000 Euro über einen Kredit und bezahlte komplett vorab, „und nun stehen wir vor den Scherben“. Noch am 19. Juni erhielt er eine E-Mail von „Go Solar“, als Montagetermin wurde der 26. Juli fixiert. Als der 49-Jährige noch einmal nachhakte, lief dies ins Leere. Also besuchte er die Firma in Oberschleißheim – und erfuhr dort von dem Betrug. Auch, dass die Dame, die ihm bis Juni Mails geschickt hatte und diese mit „Sonnige Grüße“ beendete, in Wirklichkeit längst nicht mehr dort arbeitet.

„Es ist ein Potpourri an Straftaten, von Urkundenfälschung über Unterschlagung bis Betrug  – und dieser wurde sehr professionell eingefädelt“, sagt Hyazinth Styra. Seine Frau kämpft gegen Krebs, er mit den Schulden: „Ich dachte, mit der Solaranlage hätten wir in puncto Energieversorgung nun Ruhe. Leider nein, das ist total frustrierend. Der Schaden ist für uns durch die Kreditfinanzierung nicht in Worte zu fassen.“

Partnerfirma Viessmann kündigt rechtliche Schritte gegen Go Solar an

Die Firma Viessmann aus Allendorf/Eder in Hessen, Kooperationspartner von Go Solar, ist selbst schockiert über die Entwicklung. „Dass unser Name augenscheinlich für kriminelle Zwecke missbraucht wurde, bedauern wir sehr“, sagt eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage. Die Rückmeldungen von Verbrauchern ließen den Schluss zu, „dass Leistungen trotz Vorauszahlungen nur teilweise oder gar nicht erbracht wurden“.

Es sei stets ein Anliegen, „dass die Betreiber unserer Lösungen fair behandelt und vor kriminellen Machenschaften geschützt werden“, deshalb sei es „umso ärgerlicher, wenn Dritte dieses Werteverständnis offenbar nicht teilen und in betrügerischer Absicht handeln“, so die Viessmann-Sprecherin. „Wir werden unsere offenen Forderungen gegenüber der Firma Go Solar rechtlich geltend machen und die bisher nicht gezahlten Rechnungen, die einen erheblichen finanziellen Umfang haben, einklagen.“ Betroffenen Kunden rät sie, „die örtlichen Behörden zu kontaktieren und Anzeige zu erstatten“.

Den verbliebenen Mitarbeitern sind die Hände gebunden, ihr Tenor: „Jetzt warten wir auf die Polizei.“ Dort liegen diverse Anzeigen Geschädigter, die sich in einer WhatsApp-Gruppe mit inzwischen rund 100 Betroffenen organisiert haben, vor. Die Ermittlungen laufen noch, ein Sprecher der Kripo sagt zum Stand der Dinge dies: „Die Polizei führt unter dem genannten Aktenzeichen Ermittlungen wegen eines Betrugsdelikts. Aus ermittlungstaktischen Gründen ist es uns derzeit nicht möglich, weiterführende Informationen zu geben.“

Auch interessant

Kommentare

Teilen

Total
0
Shares
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Verwandte Beiträge
Berlin: Schüsse auf SPD-Büro – Polizei widerpricht Lars Düsterhöft
Mehr lesen

Berlin: Schüsse auf SPD-Büro – Polizei widerpricht Lars Düsterhöft

Genozid-Vorwurf Schüsse auf SPD-Büro? Polizei widerspricht Politiker Von t-online , dpa , sic , jse Aktualisiert am 06.08.2024 - 19:07 Uhr Lesedauer: 2 Min. Die Fensterscheibe des Wahlkreisbüros des SPD-Politikers Lars Düsterhöft in Berlin: Hinter der Scheibe hängt das Konterfei des Mitglieds im Berliner Abgeordnetenhaus. (Quelle: Facebook / Lars Düsterhöft) Kopiert News folgen Ein Angriff
Litauen: Zeitkapsel am Standort für deutsche Brigade vergraben
Mehr lesen

Litauen: Zeitkapsel am Standort für deutsche Brigade vergraben

News Aktuelle News Politik Verteidigung Litauen: Zeitkapsel am Standort für deutsche Brigade vergraben Aktualisiert am 19.08.2024, 14:54 Uhr Ein Schild mit dem Entwurf der Kaserne für die Soldaten der deutschen Brigade steht auf dem Gelände. In Litauen ist am künftigen Standort einer gefechtsbereiten Brigade der Bundeswehr eine Zeitkapsel im Boden vergraben worden. © dpa / Alexander Welscher/dpa Lesedauer:1 Min. In Litauen ist am künftigen
Terroranschlag am Strand von Mogadischu
Mehr lesen

Terroranschlag am Strand von Mogadischu

topthemen Terroranschlag am Strand von Mogadischu Stand: 01:37 Uhr | Lesedauer: 2 Minuten Der Lido Beach in Mogadischu (Archivbild) Quelle: picture alliance / dpa Schüsse, Schreie, blutende Menschen - ein Terrorangriff am Strand der somalischen Hauptstadt zerstört ein friedliches Wochenende. Es gibt viele Opfer. Anzeige , Anzeige Islamisten haben ein Hotel und den beliebten Strand Lido Beach
Sartorius-Aktie: Zweiter Tag mit großen Verlusten – Anteile von Sartorius hinter Dax zurück
Mehr lesen

Sartorius-Aktie: Zweiter Tag mit großen Verlusten – Anteile von Sartorius hinter Dax zurück

Börse Aktienkurs Sartorius-Aktie: Zweiter Tag mit großen Verlusten Stand: 12:00 Uhr | Lesedauer: 2 Minuten Sartorius-Aktie: Zweiter Tag mit großen Verlusten - Anteile von Sartorius hinter Dax zurück Quelle: dpa-infocom GmbH Die Aktie von der Sartorius AG Vz schafft es mit einer Abwärtsbewegung von 1,56 Prozent nur in das untere Drittel des Dax. Anzeige , Anzeige Der