Stausee in Südtirol: Influencer springt von Kirchturm eines versunkenen Dorfes – Entsetzen vor Ort
Ein Influencer ist am Reschensee aus dem berühmten Kirchturm mit einem zweieinhalbfachen Salto ins Wasser gesprungen. Jetzt gibt es riesigen Ärger.
Graun – Es ist ein unheimlicher und doch idyllischer Anblick, der jeden in seinen Bann zieht, der über den Reschenpass nach Südtirol in Italien fährt – eine beliebte Alternative zum stauanfälligen Brenner. Der 1367 errichtete Kirchturm der ehemaligen Pfarrkirche St. Katharina von Graun (italienisch: Curon) ist das einzige, das an das Dorf erinnert, das 1950 in dem größten Stausee Südtirols unterging. Dessen Planung hatte schon vor dem 2. Weltkrieg die damalige faschistische Regierung in Rom vorangetrieben. Jetzt wurde das faszinierende Setting Schauplatz eines Internet-Aufruhrs.
Influencer setzt sich sich und einzigartigen Italien-Ort in Szene
Alle Gebäude des Dorfes, dessen Bewohner enteignet worden waren, wurden gesprengt, auch die Pfarrkirche, nur den Turm ließ man stehen. Er ragt seitdem wie ein Mahnmal aus dem See. Die Grauner wurden in ein Retortendorf weiter oben am Hang umgesiedelt. Lediglich der Kirchturm erinnert sie noch an ihre verlorene Heimat. Und genau diesen Turm hat sich ein Sport-Influencer für einen waghalsigen Sprung ins Wasser ausgesucht.
Azurblaues Wasser. Sonnenschein, der Kirchturm ragt aus den Fluten, die Drohne nähert sich, man sieht einen jungen athletischen Mann mit türkisfarbener Badehose in den historischen Steinfenstern stehen. Der springt plötzlich in die Tiefe und absolviert zweieinhalb Saltos, bevor er mit einem großen Klatsch in den Tiefen untergeht.
Sprung aus verlassenem Kirchturm ins Wasser wird zum Instagram-Hit
Es ist der neueste Instagram-Hit, den der 1996 im oberbayerischen Teisendorf (Kreis Berchtesgadener Land) geborene Simon Brunner am 30. Juli für seine halbe Million Follower gepostet hat. Das Motto: „Goodbye God“ – „Auf Wiedersehen Gott“, wohl in Anspielung auf den Turm, der einmal zu einer Kirche gehörte. Gedreht wurde das Video, das bis 1. August über 5700 Likes bekommen hat, von Brunners Freund Sebastian Schieren.
Brunner wohnt in Innsbruck, ist begeisterter Turmspringer und für seine waghalsigen Aktionen bekannt. Mit der RTL-TV-Show Ninja Warrior erreichte er ein großes Publikum. 2019 holte er sogar mit seinem Team bei Team Ninja Warrior den Sieg. Solo schaffte er es zweimal bis zum zweiten Platz und mehrfach auf den dritten.
Auch bei Big Bounce – Die Trampolin Show war er 2018 dabei, er holte dort den zweiten Platz. 2023 war Brunner beim, RTL-Turmspringen zu sehen, im Februar dieses Jahres bei Let‘s Dance . 2022 verletzte sich Brunner bei einem Stunt am Comer See schwer, als er auf einem Betonpfosten zu einem Rückwärts-Überschlag ansetze, abrutschte und gegen den Pfosten krachte. Doch das hat er längst auskuriert, wie er immer wieder bewies.
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Viel Beifall – doch auch sehr harte Kritik an dem Spring aus dem Kirchturm
Brunners Fans sind begeistert von seiner Nummer am Reschensee: „OMG, das ist einzigartig“, schreibt eine Followerin. Ein Fan schreibt: „Das ist so krank! Woher wusste er, wann er springen sollte? Das Timing ist perfekt!“
Doch es gibt auch auffallend viele kritische Kommentare: „Absolut cooles Video und mutiger Sprung. Und trotzdem eine absolute Respektlosigkeit gegenüber Kulturgut, schade!“ ist zu lesen oder: „Viel Glück bei der Strafe. Ich hoffe, ihr könnte das mit den Einnahmen dieses Videos bezahlen“, schreibt ein User auf Italienisch.
Eine Frau schreibt: „Das gibt Probleme, nicht zur Nachahmung empfohlen. Der Turm ist ein Denkmal und darf nur von autorisierten Personen für die Wartung betreten/bestiegen werden.“
Harte Kritik am Sprung von der Tourismusinitiative Südtirol – nächster Ärger vorprogrammiert
Schließlich meldet sich die Südtiroler Tourismusinitiative zu Wort: „Wir verstehen, dass der Turm ein ikonisches Wahrzeichen und eine beliebte Attraktion für viele Besucher ist“, schrieben die Verfasser. „Es ist jedoch wichtig zu respektieren, dass der Turm ein Denkmal und davon springen verboten ist.“ Es sei nicht nur gefährlich, sondern das Verbot dieser Aktivität trage auch dazu bei, „unser kulturelles Erbe zu erhalten“.
Stattdessen empfehlen die Touristiker einen „aussichtsreichen Spaziergang“ um den See oder die schöne Aussicht von verschiedenen Fotospots aus zu genießen. Weiter heißt es: „Wir appellieren an alle, unser kulturelles Erbe zu respektieren und diesen Sprung nicht nachzuahmen.“ An Alternativen mangele es nicht: „Wer auf Actionsport steht, für den bieten in Südtirol jede Menge spannende Aktivitäten wie Mountaincarting, Ziplining, Paragliding und mehr.“
Der Reschensee macht auch aus anderen Gründen Schlagzeilen: Er wurde kürzlich abgelassen, um eine neue Steinschlaggalerie für die Straße zum Reschenpass zu bauen. Dabei tauchten die Ruinen des versunkenen Dorfes Graun wieder auf. In Tirol wird eine weitere Galerie gebaut, was ab September zu teils erheblichen Behinderungen führen dürfte. Um den See ranken sich auch viele Sagen und Mythen, die in der Netflix-Mysteryserie Curon aufgegriffen wurden. Brunner war am Freitag nicht für eine Stellungnahme erreichbar.