Weitsprung bei Olympia in Paris
Malaika Mihambo – Die große Dame greift wieder nach Gold
Malaika Mihambo kann in Paris zum zweiten Mal in Folge Olympiasiegerin werden – das ist noch keiner Weitspringerin geglückt. Doch der 30-Jährigen mit der herausragenden Persönlichkeit geht es schon längst um mehr als Gold, Silber oder Bronze.
Ganz spontan setzt sich Malaika Mihambo im olympischen Dorf ans Klavier, spielt ein Duett mit Trainer Ulli Knapp, die Finger finden gekonnt die Tasten. Im Hausflur singt sie mit Yemisi Ogunleye, die Kugelstoßerin ist Mitglied in einem Gospelchor, und auch das klingt richtig gut. Harmonisch, meisterhaft und erhebend: Attribute, die in vielerlei Hinsicht auf Malaika Mihambo zutreffen. Als Sportlerin wie auch als Mensch.
Nervenstark zum Olympia-Gold in Tokio
Gerade in ihrem Fall ist beides kaum voneinander zu trennen, bei dieser Grande Dame des Weitsprungs, deren sportliche Erfolge für sich sprechen. Zweimal Welt- und Europameisterin ist die 30-Jährige und auch schon Olympiasiegerin, vor drei Jahren in Tokio gelang ihr im sechsten und letzten Versuch der entscheidende Satz auf 7,00 m – der Sieg und Gold in einem wahren Weitsprung-Krimi, ihre Nervenstärke ist eine weitere herausragende Eigenschaft.
Mihambo kann Geschichte schreiben
Wie kaum eine Zweite ruht sie in sich, kann sich auf das Wesentliche fokussieren, das Negative ausblenden. Dabei ist Malaika Mihambo ein intensiv denkender Mensch, reflektiert, klug und engagiert, all das zusammen macht sie aus und auch so stark. Sie weiß, wer sie ist und was sie will.
Ihre Lebensleistung misst sie nicht in Erfolgen, Pokalen oder Medaillen. Und doch könnte die Ausnahmeathletin am Donnerstag (20 Uhr, im Livestream bei sportschau.de) Geschichte schreiben und sich zum zweiten Mal zur Olympiasiegerin krönen – das hat noch keine Weitspringerin geschafft.
Die aktuelle Nummer eins der Welt
Die Chancen stehen gut, dass der Coup gelingt. Die Weltjahresbestenliste führt die Athletin von der LG Kurpfalz mit 7,22 m an, mit der zweitbesten Weite ihrer Karriere nach den 7,30 m beim ersten WM-Titelgewinn 2019 in Doha triumphierte sie vor zwei Monaten bei der EM in Rom und hatte selbst eine “Gänsehaut”, weil der Sprung so gut gelang – das für sie wichtigste Kriterium noch vor Gold, Silber oder Bronze.
Danach machte ihr allerdings eine Corona-Infektion zu schaffen, die deutschen Meisterschaften in Braunschweig sagte sie ab. Das Durchhaltevermögen ist noch nicht ganz zurück, wohl aber das Sprungvermögen.
Zitterpartie in der Qualifikation
Das stellte sie schon in der Qualifikation im Stade de France unter Beweis, als sie nach reichlich Nervenkitzel und zwei ungültigen Versuchen im dritten Sprung die erforderliche Weite von 6,75 m um elf Zentimeter übertraf. Am Brett verschenkte sie dabei vorsichtshalber gut 30 Zentimeter, den weitesten Satz in der Qualifikation zeigte Tara Davis-Woodhall mit 6,90 m.
Die Amerikanerin mit dem Abonnement auf Sieben-Meter-Sprünge ist Mihambos ärgste Konkurrentin, aber auch nicht so nervenstark wie die Deutsche, die nach der Zitter-Quali cool blieb: “Ich wusste, dass ich in einer guten Form bin und habe mir nicht so viele Gedanken gemacht.”
Ihre Ausgeglichenheit ist Mihambos großes Plus, ihre innere Balance, an der sie so viel und erfolgreich gearbeitet hat – und das auch immer noch tut. In ihrem Buch “Spring dich frei” berichtet sie auch über ihren Umgang mit Leistungsdruck oder Rassismus, dem sie sich vor allem in ihrer Jugend selbst ausgesetzt sah.
“Malaika wirkt ruhiger als vor Tokio. Damals kamen wir aus einer emotional sehr schwierigen Phase. Jetzt ist die Grundstimmung befreiter. Malaika spürt, dass sie wieder an ihre Topleistungen herankommt”, berichtete Trainer Knapp.
Seit 2018 immer eine Medaille gewonnen
Im Finale muss nun aber alles passen für das nächste Gold. Natürlich möchte die dreimalige Sportlerin des Jahres wieder ihr “Bestes geben”, das Maximum herauskitzeln, ins Fliegen kommen – dann könnte sie am Ende in der logischen Konsequenz gewinnen.
Ich bin neugierig, wie weit ich noch springen kann und möchte im Wettkampf zeigen, wie ich mich persönlich weiterentwickelt habe. Das Wichtigste ist für mich aber das persönliche Glück.
“Ich freue mich einfach darauf, weit zu springen”, sagt die Weitsprung-Ikone, die sportlich alles erreicht hat, was man erreichen kann. Seit Gold 2018 bei der Heim-EM in Berlin hat sie bei jeder großen Meisterschaft, an der sie teilnahm, eine Medaille gewonnen.
“Wie kann ich der Mensch sein, der ich sein will?”
Doch sie muss niemandem mehr etwas beweisen, hat einen anderen Ansatz: “Für mich geht es nie nur um den Sport. Der Sport ist einfach nur eine Prüfung für die innere Meisterschaft, die ich bei jeder Meisterschaft im Äußeren eben auch antrete”, erklärt sie im Sportschau-Interview.
Die größeren Fragen treiben sie an und die möglichen Antworten: “Wie kann ich mich besser fokussieren, wie kann ich mental noch stärker werden, wie der Mensch sein, der ich sein will?”
Der Sport als Persönlichkeitsentwicklung – in dieser Disziplin hat Malaika Mihambo Gold schon längst gewonnen.