Als mein Großvater starb, war ich zwölf Jahre alt. Wenn ich seine Geschichte erzähle, fragen die Leute oft, ob ich ihn kannte. Ich erinnere mich an eine kleine Wohnung in einem Nachkriegsneubau, ich erinnere mich an einen Trenchcoat, an Erdbeeren mit Schlagsahne, an Aquarelle, die er malte. Ich erinnere mich an kurze Sätze und an ein verhaltenes Lächeln. Er nannte mich “mein Mauseschwänzchen”.
Dass mein Opa irgendwie Dreck am Stecken hat, habe ich geahnt. Mein Vater sprach nicht gerade herzlich von seinem Vater, den all seine Kinder Papa nannten, mit der Betonung auf dem zweiten a. Einmal erzählte er, dass sie zusammen in Berlin waren, wegen des Führer-Geburtstags, zu dem mein Großvater die Parade mitorganisiert hatte. Er erzählte, wie sie im Motorradgespann durch das Brandenburger Tor fuhren. Mein Vater als Sozius traute sich nicht zu sagen, dass er mal aufs Klo muss. So machte er sich genau beim Durchfahren des Tors in die Hosen und enttäuschte seinen Vater. Eine Enttäuschung war er auch, als er nicht Soldat wurde, sondern Kunst studierte. Weibisch sei das, fand sein Vater.