In den Ermittlungen zu der Reichsbürgergruppe um Prinz Heinrich XXIII. Reuß, die einen Staatsstreich geplant haben soll, gibt es seit Kurzem einen neuen Namen: Frank Haußner. Der Dachdeckermeister aus Zeulenroda in Thüringen soll Mitglied einer Vorläufergruppierung des Zusammenschlusses gewesen sein, der den bewaffneten Umsturz geplant haben soll, wie der MDR in der vergangenen Woche meldete. Demnach geht aus Ermittlungsakten hervor, dass er im April 2019 eine entsprechende Verschwiegenheitserklärung der Gruppe unterzeichnet hatte.
In anderen Kreisen ist sein Name keineswegs neu. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke nennt Haußner gar beim Vornamen. Auf einer Kundgebung im Sommer 2023 in dem Städtchen Heiligenstadt stellte er ihn als “den Frank” vor. Mit dem habe er sich zuvor ein kleines Wettrennen geliefert. “Der Frank war mir nicht nur auf den Fersen, er war mehr oder weniger gleichauf neben mir”, erzählte Höcke. Und das sei auch symbolisch zu sehen.
Seit April wird an drei Oberlandesgerichten gegen 27 mutmaßliche Mitglieder der Reuß-Gruppe verhandelt, es ist das größte Terrorverfahren der bundesdeutschen Geschichte. Haußner ist, jedenfalls bislang, nicht angeklagt. Er möchte sich gegenüber ZEIT ONLINE nicht zu den Vorwürfen äußern: “Offenbar handelt es sich um ein noch offenes Ermittlungsverfahren, von dem ich noch gar keine Kenntnis habe”, sagt er.
Eine Überraschung wäre die Verbindung indes nicht. Auf Kundgebungen sprach Haußner schon als Vertreter des “Fürstentums Reuß” und solidarisierte sich öffentlich mit den Inhaftierten. Im Oktober 2021 berichtete er auf einem Reichsbürgertreffen von einer Unterredung mit dem Prinzen: Er zeigte sich begeistert, einen echten Adelsspross gefunden zu haben, um mit ihm “als nachgewiesene Deutsche entsprechend unserer Abstammung der Staatssimulation BRD den Rücken zu kehren” – typischer Reichsbürgersprech, mit dem die Bundesrepublik als nicht existenter Staat abgetan wird. Laut Bundesanwaltschaft begannen im November 2021, also nur kurz darauf, die Umsturzpläne der Reuß-Gruppe Gestalt anzunehmen. Zur selben Zeit begann Haußner verstärkt damit, wütende Menschen für die AfD auf die Straße zu bringen.
Kundgebungen für den “Reichskanzler”
Mit seinen Anhängern veranstaltete er in einer Gruppe namens Freies Thüringen Demonstrationen, die auch AfD-Politikern als Bühne dienten. Der Telegram-Kanal der Gruppe ist laut Verfassungsschutz Thüringen eine zentrale Mobilisierungsplattform der Szene. Der Verbund “fungiert als Vorfeld der Partei auf der Straße”, sagt Christoph Lammert, Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen. Haußner bilde dabei eine Schnittstelle zwischen verschiedenen rechtsextremen Gruppen und der Partei: “Höcke und Haußner begreifen sich und ihre Strukturen als arbeitsteilig zusammenwirkende ‘Volksopposition’.” Genau dieses Wort hatte Höcke auch benutzt, als er “den Frank” auf der Demonstration in Heiligenstadt vorstellte.
Die Klientel, die sich von diesen Versammlungen angesprochen fühlt, liegt dem AfD-Landeschef förmlich zu Füßen: Auf einer Kundgebung in Gera 2022 schwadronierte ein Redner von einem “Deutschen Demokratischen Reich” unter “Reichskanzler Höcke”. Dieser hielt an dem Tag ebenfalls eine Rede, direkt nach Frank Haußner. Gemeinsam führten die beiden später den Demonstrationszug an.
In seinem Heimatort Zeulenroda war Haußner erstmals um 2014 aufgefallen, als er Proteste gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft organisierte. Von Beginn an seien diese auch von Neonazis besucht worden, erinnern sich Zeitzeugen. Haußners Betrieb habe darauf immer weniger Aufträge erhalten. 2017 ging die Firma pleite, wie sich im Handelsregister nachvollziehen lässt.
In den folgenden Jahren verstrickte er sich immer tiefer in die rechtsextreme Szene: Er besuchte Aufmärsche in zahlreichen Städten, darunter auch die rechte Großdemonstration 2018 in Chemnitz, an der auch Höcke teilnahm. Er suchte die Nähe zu Pegida und der Identitären Bewegung, engagierte sich als Ordner bei AfD-Kundgebungen, besuchte Vernetzungstreffen von Reichsbürgern und aus dem Umfeld der NPD. Bis heute arbeitet er eng mit den Machern des mittlerweile verbotenen Compact-Magazins zusammen. Fotos zeigen ihn auf Demonstrationen, die von der ebenfalls verbotenen NS-Sekte Artgemeinschaft besucht wurden.
Höcke und Haußner äußern ähnliche Gedanken
Höcke selbst ist in den vergangenen Jahren immer wieder mit Haußner auf Kundgebungen aufgetreten und zeigt sich in Videos mit ihm. Im Mai 2017, kurz nach der Insolvenz seiner Firma, war Haußner mit Höcke im Erfurter Landtag zu Tisch. Ein Foto zeigt die beiden beim Mittelstandsempfang der AfD-Fraktion in der Kantine.
Offenkundig teilen beide einige politische Vorstellungen: Der Dachdecker hat die “fünf Säulen des Widerstands” erdacht, eine Idee, die er online und auf Kundgebungen verbreitet. Die ersten zwei Säulen sind die “Proteste der Menschen auf der Straße” und die “AfD in den Parlamenten”. Höcke wiederum erklärte 2018 im Interviewband Nie zweimal in denselben Fluss steigen: “Die ‘Festung der Etablierten’ muss von mindestens zwei Seiten in die Zange genommen werden: von der protestierenden Bürgerbasis her und von uns als parlamentarischer Speerspitze der Bürgeropposition.” Außerdem zählt Haußner die “schwarz-weiß-rot Gruppen”, also die Reichsbürgerszene, zu den weiteren “Säulen”.
Gefragt, ob sein Bekannter Höcke von seiner Nähe zu Reuß wisse und was er davon halte, entgegnet Haußner: “Es muss Ihnen doch klar sein, dass ich solche Fragen nicht beantworte.” Dann verabschiedet er sich entschieden, aber freundlich, doch nicht, ohne seine Unzufriedenheit mit “den Zuständen in unserem Land” kundzutun. Er sei “guter Dinge, dass sich das alles bald ändern wird”, sagt Haußner.
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In den Ermittlungen zu der Reichsbürgergruppe um Prinz Heinrich XXIII. Reuß, die einen Staatsstreich geplant haben soll, gibt es seit Kurzem einen neuen Namen: Frank Haußner. Der Dachdeckermeister aus Zeulenroda in Thüringen soll Mitglied einer Vorläufergruppierung des Zusammenschlusses gewesen sein, der den bewaffneten Umsturz geplant haben soll, wie der MDR in der vergangenen Woche meldete. Demnach geht aus Ermittlungsakten hervor, dass er im April 2019 eine entsprechende Verschwiegenheitserklärung der Gruppe unterzeichnet hatte.